Der Klettersteig Pursteinwand in Sand in Taufers im Ahrntal, Südtirol
So, das ist also „D“, denke ich mir. Ich stehe auf dem zweiten von fünf Eisenbügeln, schon ziemlich weit oben im Klettersteig an der Pursteinwand. Rechts von mir ist die große, senkrechte Felsplatte. Geradeaus sehe ich weit ins Ahrntal, unter mir sind etwa 150 Meter Luft. Mein aktuelles Problem: Der nächste Eisenbügel ist nicht einen, sondern zwei Schritte entfernt. Der nächste Tritt ist ein lächerlich winziger waagerechter Riss in der Felsplatte, etwa zehn Zentimeter lang, aber wohl höchstens einen Zentimeter tief.
Mein erster Versuch ist viel zu zaghaft, also schnell wieder mit beiden Füssen zurück auf „meinen“ Trittbügel. Nochmal sammeln vor dem zweiten Versuch. Wieder nichts, wieder zurück auf den Bügel.
Ich muss mich weiter raushängen, mich mit mehr Druck in den Riss stemmen. Von oben ruft mir Matthias etwas zu und plötzlich geht es. Ein schneller Schritt, viel Druck auf die Sohle und ich stehe auf dem dritten Bügel. Schnell weiter, auf Bügel Nummer vier und fünf. Und schon stehe ich vor dem nächsten Problem.
An der Kante der Platte steht als einziger Tritt ein kleiner Felsvorsprung hoch, vielleicht zwei mal zwei Zentimeter groß. Und das in einer Höhe, als wenn ich außen an einem Fernsehturm hänge.
Aber auf diesen kleinen Tritt muss ich mit dem Fuß drauf, wieder mit viel Druck, um mich dann über die Kante der Platte nach oben zu wuchten. Ich denke noch „Hoffentlich breche ich die Ecke nicht ab“ und weiß, was das für ein unsinniger Gedanke das ist. Die Ecke ist fest und bleibt es auch.
Der Adlerhorst
Elegant sieht es sicher nicht aus, aber ich komme oben auf die Platte und kann mich erst mal ausruhen. Ein paar einfache Meter, dann bin ich am „Adlerhorst“. Zwei Rastbänke, dazwischen ein Tisch, das sieht man oft in den Bergen.
Allerdings sind die normalerweise nicht frei hängend an den Fels geschraubt. Was für ein Bild, völlig verrückt. Manchmal ist hier oben sogar eine Flasche Schnaps deponiert, auch ein Kartenspiel ist wohl da. Aber mir ist jetzt gar nicht nach hinsetzen, ich ruhe mich stehend etwas aus.
Die Vorbereitung
Aber nochmal zurück zum Anfang. Am Morgen habe ich mich mit Matthias getroffen, meinem Bergführer, mit dem ich den Klettersteig an der Pursteinwand begehen will. Ich bin noch skeptisch, weil ich nicht gerade der Klettersteig-Profi bin und im Vorfeld gelesen hatte, wie schwer der Steig ist. Ich bin zwar schon Klettersteige gegangen, aber nicht allzu oft.
Doch wir werden uns einig, dass das schon klappen wird. Ohne Bergführer wäre ich da nicht raufgegangen. Eine Einschätzung, die ich auch im Nachhinein noch für richtig halte. So wird es aber ein anstrengender, ziemlich fordernder, aber sehr genialer Vormittag in der Wand über Sand in Taufers.
Zur Pursteinwand
Wir parken am Möbelhaus Jungmann, das direkt vor dem Ortseingang von Sand in Taufers liegt. Hinter dem Möbelhaus ragt die Felswand auf, etwa 200 Meter hoch, steil, fast senkrecht. Ziemlich weit oben, direkt unter der Rastbank, hängt eine große Tirol-Fahne. Die wurde in den sechziger Jahren von Tiroler Aktivisten über Nacht in die Wand gehängt. Von unten sieht diese große Fahne aber doch sehr klein aus.
Rechts neben dem Parkplatz führt der Weg zur Wand. Hier ist der Einstieg in einen kurzen Übungsklettersteig, der ebenfalls an eine Rastbänken mit Tisch endet. Eine schöne Idee, auch am kleinen Steig diese besondere Attraktion anzubringen.
An der Wand gehen wir nach links und passieren eine ganze Reihe von Kletterrouten. Zwischen den Bäumen hindurch geht es nun einigermassen steil, aber kurz bergauf. Das ist ein großer Vorteil des Klettersteigs an der Pursteinwand. Vom Auto zum Einstieg sind wir keine 15 Minuten unterwegs.
Im Pursteinwand-Klettersteig
Erst einmal geht es steil über Felsplatte hinauf, mit viel Reibung. Auf dem ganzen Steig sind ziemlich wenige Bügel installiert, die meiste Zeit geht es über den Fels. Steile Felsplatten, bei denen wir mit viel Reibung hinaufgehen müssen, gibt es hier gleich mehrfach. Über den Steig sind noch drei kurze Leitern verteilt.
Im Mittelteil kommt ein kurzes erdiges, etwas feuchtes, Teilstück. An anderen Stellen fließt etwas Wasser über die Platten, beides macht die nächsten Schritte etwas rutschiger.
Die größten Schwierigkeiten befinden sich aber im oberen Teil des Steigs, wenn die Kraft schon etwas nachlässt. Vor allem die eingangs erwähnte Platte mit den Bügeln fand ich wirklich schwer.
Eine andere sehr schwere Stelle kommt kurz vor dem Ausstieg: Eine kurze Leiter, vielleicht gute zwei Meter lang, aber leicht überhängend. Allerdings muss man die Leiter auf der Hälfte nach links verlassen, auf kleine Tritte, dann ist man wieder etwas überhängend im Seil. Und muss dann die Karabiner umhängen.
Aber es gibt immer wieder auch Stellen und etwas längere Abschnitte, auf denen man sich etwas erholen kann. Relativ große Standflächen zum Verschaufen und Kräftesammeln, körperlich und mental.
Hier kann man auch die Umgebung genießen. Der Blick reicht weit ins Ahrntal hinein und in Richtung Ahornach, dem Heimatort von Hans Kammerlander.
Weiter gibt es kürzere Abschnitte, die leicht zu gehen sind. Dann kommen immer auch wieder kurze, knackige Stellen, die Kraft erfordern. Oder die richtige Trittfolge. Die kann ich mir bei Matthias abschauen, der vor mir geht und mir an einigen Stellen praktische Tipps gibt.
Der Pursteinwand-Klettersteig ist ein schwerer Klettersteig, meistens wird er mit der Schwierigkeit „D“ bewertet. Manche Bücher und Websites bewerten ihn sogar mit „E“. Die habe ich zum Glück erst im Nachhinein gesehen. Vor allem ist der Steig sehr ausgesetzt, man hat viel Luft unterm Hintern, damit aber auch sehr geniale Ausblicke ins Tal.
Vor und nach der Tour habe ich auf verschiedenen Websites und Klettersteigführer über den Pursteinwand-Klettersteig gelesen. Dabei ist mir aufgefallen, dass nicht nur die Einschätzung der Schwierigkeit leicht abweicht.
Viel mehr werden ganz unterschiedliche Gehzeiten angeben. Von knapp einer Stunde bis zu drei Stunden reichten die Angaben.
Wir waren etwa zweieinviertel Stunden im Steig, inklusiver kurzer Pausen. Und ich war dabei nicht gerade schnell, wir wurden von zwei Seilschaften überholt. Erfahrenere Klettersteig-Geher können es sicher in maximal anderthalb Stunden schaffen.
Wichtig ist auch zu wissen, dass der Steig vor ein paar Jahren, etwa 2011, erneuert wurde. Manche Bücher und Websites beziehen sich noch auf den alten Zustand des Steigs, den Ihr im Video unten sehen könnt. Das Seil war früher dünner und viel schlabbriger angebracht, das jetzige Sicherungsseil ist deutlich straffer gespannt.
Auf der großen Platte sind im Video noch Drahtstifte zu sehen, diese wurden bei der Renovierung durch Trittbügel ersetzt, was diese Stelle deutlich einfacher gemacht haben sollte. Schwer genug war sie trotzdem noch.
Die Höhe der Pursteinwand beträgt etwa 200 Meter, der Steig ist ungefähr 300 Meter lang und südöstlich ausgerichtet. Das Sicherungsseil, in das man sich einhängt, verläuft auf der gesamten Länge des Klettersteigs, es gibt also keine Stellen, die man ungesichert geht.
Der Ausstieg des Klettersteigs führt einen direkt auf eine große Almwiese. Vorsicht noch einmal bei den letzten Schritten, wenn Ihr Euch aus dem Seil ausklinkt.
Nach rechts geht es am Bauernhof Unterpursteinhof vorbei und dann über den Wiesenweg und durch den Wald auf einem Wanderweg zurück nach Sand in Taufers. Auf dem Weg hat man noch einen guten Blick auf die Burg Taufers auf der anderen Talseite, auf die man fast zuläuft.
Zum Schluss gehen wir noch durch Sand in Taufers, das das Outdoorsportzentrum des Ahrntals ist. Hier gibt es nicht nur die Pursteinwand mit den zwei Kletterstiegen und den vielen Kletterrouten, sondern auch einen Hochseilgarten.
Für Wildwasserfreunde gibt es direkt im Ort den Rafting Club. Und ein Blick in den Himmel zeigt, dass es wohl auch ein beliebtes Ziel für Paraglider ist.
Für erfahrene Klettersteiggeher ist der Pursteinwand-Klettersteig eine unbedingte Empfehlung wie ich finde. Ein klassischer Steig, der der natürlichen Felslinie folgt, soweit ich das beurteilen kann, der anspruchsvoll und interessant ist.
Für nicht so erfahrene Klettersteiggeher wie mich ist der Steig eine echte Herausforderung. Hier ist es sicher sehr sinnvoll, ihn mit einem Bergführer zu begehen. Alleine hätte ich mir den Steig nicht zugetraut und wäre unten geblieben.
Vielen Dank an meinen Bergführer Matthias Larcher, mit dem ich den Klettersteig zusammen begangen habe. Er hat mich im Klettersteig zusätzlich per Seil gesichert, mir gute Tipps gegeben und war durch seine ruhige und souveräne Art eine wichtige Stütze. Und dazu habe ich an dem Vormittag auch noch einiges über das Ahrntal erfahren.
Klettersteig Pursteinwand:
Länge: ca. 300 Meter
Wandhöhe: ca. 200 Meter
Ausrichtung: Südost
Sicherung: Durchgehend
Schwierigkeit: D bis E (laut Literatur)
Zustieg: 15 Minuten
Dauer Klettersteig: ca. 1 – 2,5 Stunden
Abstieg: Wanderweg, 45 Minuten
Talort: Sand in Taufers, Ahrntal, Südtirol, 860 Meter
Ausstieg: Unterpurstein, 1130 Meter
Links:
Bergführer Matthias Larcher
Pursteinwand-Klettersteig bei Via-ferrata.de mit Fotos
Pursteinwand-Klettersteig bei Klettersteig.de
Pursteinwand-Klettersteig bei alpintouren.com
Eine Bitte habe ich an Euch: Ich habe vergessen, das beste Foto zu machen, wie blöd von mir. Allerdings mag ich auch nicht nochmal extra für das Foto hochgehen 😉 Wenn Ihr am Stand am Beginn der Wand mit den fünf Bügeln steht macht doch bitte ein Foto davon, mit der Wand und dem Blick ins Tal. Wenn Ihr mir das dann zuschickt, damit ich es hier, mit Namensnennung natürlich, veröffentlichen kann, wäre das sehr super!
Im Rahmen dieser Reise haben sie auch diese Klettersteig-Begehung mit meinem Bergführer Matthias Larcher organisiert.
Schön gemachter Bericht, gratuliere!
Viel Arbeit am PC und dafür sehr anschaulich. Check nochmals die techn. Daten am Ende des Berichtes, da haben sich 2 Fehler eingeschlichen.
Berg Heil!
Rainer
Hallo Rainer,
vielen Dank! Ich habs gleich ausgebessert.
Viele Grüße,
Uli
Hut ab Uli! Toll gemacht!!!
Hallo Günter,
vielen Dank! Warst Du auch schon mal dort? Wenn nicht, der Steig ist sicher interessant für Dich!
Viele Grüße,
Uli
Super Artikel!! War letzten Sommer auch dort Bergsteigen!
Grüße aus dem Defereggental
Klasse Blog und Super Artikel!
Waren jetzt auch schon öfter zum wandern in Südtirol. Sollte für jeden eine Reise wert sein 😉
Fürn Winter haben wir uns jetzt als Gruppe mehrere Ferienwohnungen Schenna gebucht! Wandern könnte schwer werden aber aufm Bord oder Skiern ist es in den Bergen auch immer sehr schön!
Viel Spaß bei der nächsten Tour
Besten Gruß Timo
Super Artikel! Sehr hilfreich und informativ!
Grüße vom kalterersee