Buch: Das Jahrbuch der Alpenvereine mit dem Schwerpunkt Karwendel
Seit einigen Jahren ist das Alpenvereinsjahrbuch mit dem schlichten Namen “Berg” fester Bestandteil meiner kleinen Alpinbilbliothek. Und in diesem Jahr hat es wieder besonders gut gepasst, denn ein Schwerpunkt von “Berg 2016” ist das Karwendel, das ich dieses Jahr alleine und mit meiner Familie besucht habe und durch das ich mit Freunden auf einer Hüttentour duchquert habe. Dazu noch die Geschichte der Alpenvereinshütten als weiterer Schwerpunkt, das verspricht viele Stunden Beschäftigung mit dem Buch.
Wie auch im letzten Jahrbuch “Berg 2015”, als das Zillertal Schwerpunktthema war, führte unsere Hüttentour in die vorgestellte Region.
BergWelten: Karwendel
Das Karwendel ist ein wunderbares, wildes Gebirge, das im Grenzgebiet zwischen Bayern und Österreich beginnt und sich in vier mächtigen Gebirgsketten durch den Norden Tirols bis nach Innsbruck zieht. Ich war also ganz begeistert, dass das Karwendel in diesem Jahrbuch so einen großen Raum einnimmt, da ich gerade in diesem Jahr endlich wieder mehrmals dort war.
Der wahrscheinlich bekannteste Kenner des Karwendels ist Heinz Zak. Der Österreicher ist Extremkletterer, einer der Pioniere des Slacklinens in Europa und bekannter Bergfotograf. Wahrscheinlich habt Ihr seine Fotos schön häufiger in Bildbänden, Bergzeitschriften oder Kalendern gesehen. Heinz Zak lebt in Scharnitz, also direkt am Eingang zum Karwendel.
Zum Einstieg in den Karwendel-Schwerpunkt erklärt er die Entstehungsgeschichte des Karwendels und führt uns anhand von Wanderungen, Gipfeltouren und Klettersteigen in alle Regionen des Gebirges. Viele Fotos ergänzen die kurzen Beschreibungen, die man gut als Anregungen für weitere Touren nehmen kann. Wer nun mehr Fotos und Karwendel-Beschreibungen von Heinz Zak haben möchte, dem kann ich den großen Bildband “Karwendel” von ihm empfehlen, der im letzten Jahr erschienen ist.
Nicht ins Herz des Karwendels, sondern in das Vorkarwendel führen die Wanderungen, die Joachim Burghardt vorstellt. Im Gebiet des Rißbachs und der jungen Isar, im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol, finden diese Wanderungen statt. Auch hier gibt es mit Juifen, Scharfreiter oder Soiernspitze einige bekannte Bergnamen, dazu einige, an denen man meistens vorbeifährt, wenn man in das Karwendel selbst will. Umso ruhigere Wanderungen lassen sich hier, abseits der Hauptrouten finden.
Silber, Blei und weißes Gold ist der Titel der nächsten langen Geschichte. Sie handelt vom Bergbau in dieser an Bodenschätzen reichen Region. Der Aufstieg und Reichtum vieler Städte im Inntal in den vergangenen Jahrhunderten ist direkt mit dem Bergbau in den Karwendelbergen verbunden. Hall, Vomp oder Jenbach wurden durch den Erzbergbau, die Silberminen und den Abbau von Salz zu bedeutenden Städten. Den Bergbau gibt es heute nicht mehr, aber Schaubergwerke bringen Besuchern die vergangenen Zeiten nah.
Die mehr als hundertjährige Geschichte des Kletterns im Karwendel wird im Artikel Zwischen Albtraum und Wahnsinn erzählt. Natürlich kommt auch hier wieder Heinz Zak vor, der zahlreiche neue Kletterrouten im Karwendel erschlossen hat. Ihm ist auch die letzte Geschichte des Kapitels gewidmet, hier wird der Jäger und Sammler des Ausgenblicks in seinem Gebirge ausführlich dargestellt.
Zuvor geht es aber noch um die, mittlerweile denkmalgeschützte, Hütte im Schatten der großen Wand, die Falkenhütte. Die Hütte steht direkt vor den mächtigen, dunklen, furchteinflößenden Lalidererwänden, die für die Kletterer vergangener Jahrzehnte einen magnetischen Reiz ausübten. Von der Falkenhütte aus konnte man die Kletterer in der Wand bequem beobachten. Damit hatte man auch Kletterdramen direkt vor Augen, Rettungen wurden hier organisiert und Verunglückte und Bergretter versorgt. Aber auch die Hütte selbst wurde zum Schauplatz eines Unglücks, dass durch die abgelegene Lage eine abenteuerliche Rettung notwendig machte.
BergFokus: Hütten im Gebirge
Das zweite große Kapitel des diesjährigen Alpenvereinsjahrbuchs trägt den Titel Hütten im Gebirge. Zunächst geht es um den Sinn und die die Bedeutung von Alpenvereinshütten. Warum geht man in die Berge und welchen Nutzen haben Berghütten? Was war die Motivation, Hütten in die Berge zu bauen? Ein Historischer Rückblick in die Anfänge des Bergsports. Aus diesen Zeiten stammen auch die Hüttenregeln, die gut sichtbar in jeder Hütte aushängen. Diese sorgen für Geordnete Verhältnisse, aber woher kommen sie? Die Geschichte der Entstehung von Hüttenregeln und Verhaltensnormen dort liest sich aus heutiger Sicht teilweise ziemlich lustig, ist aber ein historisch interessant.
Wie schon die letzten ersten zwei Artikel gezeigt haben, reicht die Geschichte der Alpenvereinshütten oft über hundert Jahre zurück. Viele Hütten werden mittlerweile als schutzwürdig eingestuft, manche sind inzwischen als Baudenkmal geschützt. Die im Zillertal gelegene prachtvoll ausgestaltete Berliner Hütte erhielt den Schutzstatus 1997 als erste Alpenvereinshütte. Mit dem Anton-Karg-Haus im Kaisertal und der Falkenhütte im Karwendel kenne ich auch schon ein paar der geschützten Hütten.
Historisch, aber durch den hundertsten Jahrestag des Alpinkrieges zwischen Österreich und Italien aktuell ist der Artikel Gebaut für das Vaterland, über die Schutzhütten an der deutsch-italienischen Sprachgrenze. Die dortigen Hütten dienten nicht nur dem Schutz der Bersteiger und Wanderer, sondern wurden auch für nationalistische Zwecke vereinnahmt oder gar deswegen gebaut. Zwischen den verschiedenen und verfeindeten Alpinvereinen ging es darum, im alpinen Sinn Gebiete zu “erobern” und durch den Hüttenbau diesen Anspruch auch optisch zu zeigen. Ein interessanter historischer Artikel über hoffentlich für immer überwundene Zeiten.
Völlig in der Gegenwart befinden sich die letzten beiden BergFokus Artikel. In Neue Hütten braucht das Land wird die moderne Hüttenarchitektur der Schweizer Alpen vorgestellt. Die futuristische Monte-Rosa-Hütte hat wahrscheinlich jeder schon auf Fotos gesehen, aber auch andere Hütten des SAC stellen einen Bruch mit dem historischen Baustil der Alpenvereinshütten dar. Teilweise als sehr schlichte Holzbauten, teilweise in extremer Formgebung und Metallbauweise stellen diese neue Hütten traditionsbewusste Bergfreunde oft auf eine harte Probe und führen nicht selten zu Konflikten, zwischen Bewahrern und Modernisierern.
Diesen Konflikten geht auch der letzte Artikel des Kapitels nach. Warum führt Hüttenarichtektur häufig zu so starken Konflikten? Sehr aktuell ist dieser Konflikt an der gerade erst neu eröffneten Höllentalangerhütte unterhalb der Zugspitze zu sehen.
BergSteigen
Die weiteren Kapitel im Buch möchte ich nur kurz Anreißen. In BergSteigen geht es wie üblich um die Highlights des Alpinsports im vergangenen Jahr und um alpinen Wettkampfsport. Dazu werden die Ursprünge des Freikletterns und die skandinavische Outdoor-Kultur vorgestellt, die doch etwas sptanischer daherkommt als die Alpen mit ihrer guten Infrastruktur.
BergMenschen
In BergMenschen werden der Bergbauer Fortunat Gurschler und der britische Alpinist Mick Fowler vorgestellt. An den vor neunzig Jahren verunglückten einbeinigen Kletterer Otto Margulies wird erinnert. Besonders interessant fand ich hier das Portrait der iranischen Kletterin Nasim Eshqi: Felsen als Tor zur Welt.
BergWissen
Der stetige Kampf zwischen Tourismus und Ökonomie einerseits und Naturschutz und Ökologie andererseits wird im Interview mit Raimund Rodewald von der Stiftung Naturschutz Schweiz besprochen und leitet das Kapitel BergWissen ein. Dazu unter anderem ein Blick in 40 Jahre Sagarmatha National Park und die Nutzung der Alpen in der Urgeschichte.
BergKultur
BergKultur befasst sich noch einmal mit der Erstbesteigung des Matterhorns durch Edward Whymper vor 150 Jahren. Die Vermessung des Himmels ist eine interessante Geschichte darüber, ob das Blau des Himmels im Gebirge intensiver ist als im Tal. Das Cyanometer hilft bei der BEstimmung des Blaus. Weitere Experimente am Berg und eine Vorstellung des Malers Nino Malfatti runden das Kapitel ab.
Wie in jedem Jahr kann ich Berg 2016* wieder uneingeschränkt empfehlen. Es ist wieder ein umfassender Rückblick auf das Alpinjahr, dazu ein Lesebuch voller großartiger und abwechslungsreicher Geschichten mit interessanten historischen Zeichnungen und Fotos. Dazu aktuelle Bergfotos, bei denen ich direkt den Rucksack packen möchte. 264 Seiten Berglektüre zu einem sehr fairen Preis.
Alpenvereinsjahrbuch Berg 2016
Herausgeber: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol
264 Seiten
Tyrolia-Verlag
ISBN: 978-3-7022-3467-6
18,90 €
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vielen Dank für den super Bericht – ich habe mir das Buch gleich einmal besorgt, damit ich über die Feiertage was zum Schmökern habe.
lg. Claudia
Du bist also auch Fan der Alpenvereinsjahrbücher?! Ich neuerdings auch: http://www.breitengrad66.de/2015/11/26/alpenvereinsjahrbuch-berg-2016/
Schöne Grüße
Thomas