Viehtrieb durch das Wattenmeer von Hallig Oland nach Langeness
EIn Gastbeitrag von Claudia (made-in-minga.de)
Ein paar Tage ausspannen auf der Hallig. Eigentlich sollte es Hallig Hooge sein, einfach deshalb, weil sie die einzige war, deren Namen wir kannten. Aber die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeiten ließ uns schnell umdisponieren. Wahnsinn, wie ausgebucht die Halligen sind. Ruhe scheinen viele Menschen zu suchen. Auf Hallig Langeness fanden wir dann noch eine kleine Ferienwohnung, die uns zwei Nächte aufnehmen konnte.
Wir fuhren Ende September. Mit der Autofähre ging es von Schlüttsiel los, zunähst nach Hooge, dann nach Langeneß. 10 km ist diese Hallig lang und während der Fahrt nach Hooge fährt man sie der Länge nach ab. Sie macht einen imposanteren Eindruck, als wir uns das vorgestellt hatten. Das sie an der breitesten Stelle nur 1.400 m zählt, sieht man ja von hier aus nicht.
Als wir ankamen, sahen wir auch sofort, dass “Sebastian” vor uns da gewesen ist. Der Orkan war eigentlich 4 Wochen zu früh über die Küste gefegt, normalerweise sind schwere Stürme, Orkane und damit Land-unter erst ab Mitte Oktober zu erwarten. Entsprechend sind die Halligbewohner auch überrascht worden.
Natürlich waren sie vorgewarnt, Sitzbänke waren angekettet, der Strom von den Zäunen genommen und das Vieh auf die Warften getrieben.
Problematisch jedoch ist, dass es noch recht viele Tiere um diese Zeit dort gab. So wurde es eng um die Warften herum und die Hinterlassenschaften der Viecher rund um die Häuser waren noch deutlich zu sehen.
Das zurückziehende Wasser hinterläßt Seetang überall. Aber auch das sind die Halligbewohner gewöhnt. Stoisch machen sie sich nach jedem Land-unter an die Arbeit, ihre Wiesen wieder von Meeresgewächsen zu befreien und diesmal auch die Zäune penibel wieder freizuzupfen. Sisyphos-Arbeit, denn der nächste Sturm kommt bestimmt.
“Sebastian” hatte den Viehabtrieb verzögert. Auf Langeness wurden verbliebene Herden nun in Viehtransporter geladen und zum Hafen auf die Autofähre gebracht. Sie verbringen ihren Winter an Land.
Auch auf Oland wartete noch eine Herde. Oland ist eine winzige Hallig und die Wiesen waren den Sommer über wirklich schon abgefressen worden. Die Verzögerung durch “Sebastian” hieß nun eine weitere Woche dort stehen und Fressen suchen. Die Herde musste dringend runter von Oland.
Oland ist jedoch so klein, dass die Autofähre dort nicht halten kann, um Viehtransporter aufzunehmen. Abgesehen davon, dass auf Oland keine Lastwagen fahren, da gibt es nur die Lorenbahn. Die Kühe werden also über das Watt getrieben, im Sommer hinüber und im Herbst wieder zurück nach Langeness, von wo aus sie wieder auf den Viehtransporter geladen werden.
Die Familie unserer Zimmerwirtin hatte die Herde auf Oland als sogenanntes “Pensionsvieh” in ihrer Verantwortung und musste nun dafür sorgen, dass alle Tiere wieder heile ans Festland kamen. Wir boten unsere Hilfe an, so eine Aktion kann man sich doch echt nicht entgehen lassen. Mit der Lore ging es die 6 km von Langeness nach Oland hinüber. Ruckelig und ungefedert, aber relativ bequem, wenn man bedenkt, dass wir den Rückweg als Kuhhirten bewältigen werden.
Auf Oland angekommen bekamen wir noch letzte Instruktionen und jeweils einen Stock in die Hand gedrückt. Wir sollten auf jeden Fall vermeiden, dass die Kühe ausbrechen und Richtung Föhr laufen. Sie würden ertrinken.
Sie müssen auch in Bewegung gehalten werden, die Herde dürfe nicht stehen bleiben um sich zu überlegen, ob sie jetzt vielleicht lieber doch nicht durch die Priele laufen wollen. Unsere Verantwortung wurde uns schlagartig klar, aber nun gab es kein zurück mehr.
Das Wasser war genügend zurückgegangen, so dass wir uns auf den Marsch machen konnten. Die Kühe wurden von der Weide geholt. Zuvor waren wir als Kuhtreiber an den Seiten des Weges postiert worden.
Die Herde lief nun, gezielt getrieben, in unser “Zaun-” Provisorium, das Seil, das wir während unseres Marsches halten würden. Kaum waren alle Kühe versammelt, trabten auch wir an.
In Gummistiefeln über die Deichkante (rutschig, wo sind meine Bergschuhe, wenn ich sie mal brauche?) und hinein ins Watt. Das Watt war erstaunlicherweise sogar recht fest, so dass wir die ersten Meter gut laufen konnten. Aber der erste Priel kam bereits kurz nach dem Loslaufen. Und damit war auch alle trockene Kleidung dahin.
Das Wasser stand in den Gummistiefeln und wir zum Glück noch aufrecht auf dem Watt. Ich hatte ja Sorgen gehabt, dass der Priel womöglich irgendwelche tiefen Stellen birgt, in denen ich versinke, während eine Kuhherde über mich wegtrampelt. Aber, alles gut gegangen. 🙂
Die Kühe waren eher genervt. Schmatzender Untergrund, ständig dieses Antreiben von hinten, schnelles Laufen, die hatten wirklich wenig Lust auf den Marsch. Nach links rüber sah man gut den Lorendamm, also Festland.
Die Treiber auf dieser Seite hatten echt zu tun, weil ein paar Querulanten ständig versucht haben, dort rüber auszubrechen. Und so eine Kuh kann echt groß sein, wenn nur ein dünnes Seilchen sie davon abhalten soll wegzulaufen.
Es kam ein zweiter Priel und eine fiese Anschwemmung von saugendem Algenkram, bevor wir auf Langeness wieder über die Deichkante steigen konnten. Wir kraxelten hoch zum Lorendamm. Gar nicht so einfach, neben trabenden Kühen und mit schlickigen Gummistiefeln. Elegant aussehen ist sicher anders, aber das war ja auch nicht das Ziel 🙂
Die letzten Meter bis zur Weide am Loren-“Bahnhof” gingen recht friedlich zu. Der Boden war wieder fest, die Kühe rochen wohl auch schon das Gras, Faulheit machte sich breit, warum sollte man eigentlich nicht hier gleich stehen bleiben und ein wenig knabbern?
Gute Frage, wir trieben sie aber weiter und schafften auch die letzten Meter noch gut, ohne das eine abhauen konnte oder ausrutschte.
Tja, und da stehen sie dann auch, als wären sie nie woanders gewesen. Kaum, dass sie ein paar Meter auf der Wiese standen, fingen alle direkt an zu fressen. Also, Projekt “Almabtrieb von Oland” erfolgreich beendet.