Das Flugzeugwrack am Strand von Sólheimasandur

Island: Ein Wrack als Touristenattraktion

Eine gesichtslose Leiche liegt am schwarzen Strand von Sólheimasandur an der Südküste Islands. Der Rumpf von unzähligen Schüssen durchsiebt und ausgeweidet, die Extremitäten fehlen. Nein, keine Sorge, ich bin nicht unter die Schreiber von Skandinavien-Krimis gegangen und wir befinden uns nicht am Schauplatz eines blutrünstigen Verbrechens. Es ist kein Blut geflossen und die Leiche ist natürlich das mittlerweile weltberühmte Wrack eines Flugzeugs der US Navy.

Das Wrack des 1973 am Strand von Sólheimasandur notgelandeten Flugzeugs der US Navy

Das Wrack des 1973 am Strand von Sólheimasandur notgelandeten Flugzeugs der US Navy

Dieses Wrack ist eine der wenigen nicht-natürlichen Sehenswürdigkeiten, die wir auf unserer Rundreise durch Island besuchen. Und dieser Besuch beschert uns auch die erste etwas längere Wanderung.

Denn der Weg zum Flugzeug führt vier Kilometer weit durch ein Gebiet, das an eine Steinwüste erinnert. Kein Baum, kein Strauch, keine Erhebung, nicht einmal einen Felsen gibt es hier, nur schwarzes Gestein und die gelben Holzmarkierungen, die den Weg weisen.

Die große Leere. Auf dem Weg zum Flugzeugwrack

Die große Leere. Auf dem Weg zum Flugzeugwrack

Wir sind schon relativ früh am Morgen unterwegs, da wir ganz in der Nähe, in Vík í Mýrdal übernachtet haben. Auf dem großen Parkplatz stehen nur wenige Autos, auf dem Weg sehen wir andere Menschen nur weit vor uns am Horizont.

Nach Vorne sehen wir nur die Steine auf dem flachen Boden und weit hinten am Horizont das Meer. Selbst das Flugzeugwrack ist nicht zu sehen, es zeigt sich erst auf den letzten Metern der Wanderung, als der Weg leicht abfällt.

Der Blick zurück lohnt sich: Die Berge mit dem Mýrdalsjökull

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Der Blick zurück lohnt sich dafür. Hier blicken wir auf die Bergkette der Südküste, über der die leicht gebogene Eiskappe des Mýrdalsjökull liegt. Nach ungefähr einer Dreiviertelstunde erreichen wir das Wrack. Ein ungewöhnlicher Anblick. Mitten auf dem weiten, schwarzen Strand liegen die Überreste des Flugzeugs. Es ist eine Douglas C-117, die Militärversion der DC-3.

Der Absturz

Am 21. November 1973 wurde die Maschine der US Navy in eisiger Kälte, Stürmen und Nebel ein Opfer des isländischen Wetters. Sie ist aber nicht abgestürzt, sondern der Pilot konnte die Maschine am Strand von Sólheimasandur notlanden, ohne dass eines der Besatzungsmitglieder verletzt wurde.

Die US-Armee in Island

Die wichtigen Teile des Flugzeugs wurden von der US-Armee demontiert, der Rest des Wracks wurde liegen gelassen, was aufgrund einer Vereinbarung der amerikanischen und isländischen Regierung rechtens war. Von 1941 bis 2006 waren amerikanische Truppen auf Island stationiert, vor allem am Flughafen Keflavik westlich von Reykjavik. Island ist zwar NATO-Mitglied, hat aber keine eigene Armee, so dass die US-Armee auch den Schutz Islands sicherte.

Alleine in der Zeit zwische 1941 und 1973 sollen 385 US-Flugzeuge in Island abgestürzt oder notgelandet sein, meistens in unbewohntem Gebiet. Die liegen gebliebenen Reste wurden von der ansässigen Bevölkerung oft genutzt. So soll ein Flugzeug als Schafstall diesen, der Stahl anderer soll zu Töpfen und Pfannen berarbeitet worden sein. Eine kreative Zweitverwertung auf einer rohstoffarmen Insel mit weiten Transportwegen.

Sigur Rós und Justin Bieber

So lag das Wrack ein paar Jahrzehnte wohl weitgehend unbeachtet am Strand. Im 2007 erschienenen Film Heima der isländischen Musiker von Sigur Rós wurde das Wrack gezeigt. Weltbekannt wurde es aber im Jahr 2015, als Justin Bieber im Video “I’ll Show You” auf dem Dach des Flugzeugs Skateboard fuhr. Das hätte ich auch nicht gedacht, dass ich einmal ein Justin Bieber Video verlinke.

Funfact: Anhand des Videos hat Nanna Gunnarsdóttir auf guidetoiceland.is Tipps zum Island-Besuch gegeben: 5 reasons not to behave like Justin Bieber in Iceland.

Der Weg zum Wrack

Seit Justin Biebers Video ist das Flugzeug am Strand also fester Bestandteil vieler Reisen nach Island. Früher konnte man mit 4×4-Fahrzeugen zum Wrack fahren, mittlerweile ist das aber verboten und die Zufahrtspiste von den insgesamt elf Landeigentümern gesperrt worden.

Direkt an der Ringstraße, etwa auf halber Strecke zwischen Skógafoss und dem Ort Vík í Mýrdal, befindet sich nun ein recht großer, aber völlig unbeschildeter Parkplatz. Vom Skógafoss sind es etwa sieben Kilometer auf der Ringstraße nach Osten.

Hier beginnt der Weg zum Wrack. Durch die gelben Markierungshölzer sollte er nicht zu verfehlen sein. Der Weg führt immer geradeaus, bis er kurz vor dem Flugzeug nach links abknickt.

Da wir relativ früh am Flugzeug waren, waren nur wenige andere Fotografen dort und alle haben aufeinander Rücksicht genommen und darauf geachtet, den anderen nicht ins Bild zu rennen.

Das änderte sich im Verlauf des Vormittags, als weitere Gruppen kamen. Für manche Touristengruppen, vor allem solche, die ein sehr breites Englisch sprechen, scheint es “mandatory” zu sein, auf halsbrecherische Art auf das Dach zu steigen. Das dauert natürlich auch entsprechend lange. Und das Runterklettern am Rumpf mit den scharfkantigen Löchern erfordert deutlich Zeit und Mut. Immerhin gab es keine Verletzten.

Am späten Vormittag kamen dann noch einige motorisierte Paraglider, die ihre Runden über dem Wrack gedreht haben. Auf dem Rückweg kamen uns ziemlich viele Leute entgegen, entsprechend war auch der Parkplatz gut gefüllt. Mein Tipp ist also: Geht früh los. Oder vielleicht auch spät am Abend, lange genug hell ist es ja im isländischen Sommer.

Ziemlich zerstört: Vom Cockpit ist nicht mehr viel übrig

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Wie immer in Island ist auch beim Flugzeugwrack ein wenig gesunder Menschenverstand gefragt. Wir sind den Weg bei relativ gutem Wetter gegangen, aber bei Sturm oder Schnee würde ich mir sehr überlegen, ob ich ihn gehe. Es gibt auf dem Weg keinerlei Schutz oder Unterstand. Auch das Wrack selbst taugt nur sehr eingeschränkt als Schutzhütte. Das mussten einige Touristen erfahren, die dort während eines Unwetters Schutz gesucht hatten und von Einheimischen gerettet wurden.

Auch wenn es weder Naturdenkmal noch Mahnmal ist: Auch das Wrack selbst sollte man mit einem gewissen Respekt behandeln. Alleine schon, damit es auch andere nach einem selbst es noch besuchen können.

Insgesamt ist der Besuch des Flugzeugwracks am Strand von Sólheimasandur wirklich interessante Tour, ein großartiges Fotomotiv und eine Wanderung durch eine ganz ungewöhnliche Umgebung.

Links:
Es gibt viele weitere Artikel mit tollen Fotos vom Flugzeugwrack. Spannend geschrieben auf vice.com: Die Geschichte von Islands mysteriösem Geister-Wrack: Gerettet vom Fluganfänger. Mit Videos und einem Fotos des noch intakten Flugzeugs bei zauber-des-nordens.de. Ganz schicke Fotos bei nordnordnord.de. Und auch bei storyflow.ch gibt es schöne Fotos, auch von der Landschaft.

Buchtipps und Wanderkarte:

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3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo Melanie,
    wir haben für den Hin- und Rückweg jeweils etwa 45 Minuten gebraucht. Wir hatten gutes Wetter. Bei Sturm, Regen oder Schnee würde ich auf den Besuch verzichten, da es auf dem Weg keinerlei Schutz gibt.
    Viele Grüße und viel Spaß dort!
    Uli

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