Rückblick: „in orbit“ von Tomás Saraceno im Museum K21 in Düsseldorf
Festen Boden verlassen, Ausgesetztheit spüren, die Furcht vor dem Abgrund erleben und überwinden. Über den Dingen laufen, das Gefühl haben, fast zu schweben. Und Teil eines Kunstwerks werden. Das konnte man zehn Jahre lang im Museum K21 mitten in Düsseldorf. Dort befand sich, unter dem gläsernen Kuppeldach,die begebare Installation „in orbit“ von Tomás Saraceno. Selten hatte man die Möglichkeit, ein Kunstwerk so unmittelbar zu erleben und zu spüren, eine ganz besondere Erfahrung.
Ganz in der Nähe vom Rhein mit seiner Promenade, der Rheinkniebrücke, dem Landtag und Fernsehturm, liegt in einem kleinen Park das 1876 bis 1880 erbaute Ständehaus. Bis 1988 war es Sitz des nordrhein-westfälischen Landtags, bevor dieser in einen Neubau direkt am Rheinufer umzog.
Nach dem Umbau des Ständehauses wurde im Jahr 2002 das Kunstmuseum K21 eröffnet, in dem moderne Kunst des 21. Jahrhunderts gezeigt wird.
Das weithin sichtbare äußere Zeichen der neuen Funktion des Ständehauses ist das große, gewölbte Glasdach, das das gesamte Gebäude überspannt. Unterhalb dieses Glasdaches, im vierten Obergeschoß, befand sich die Installation „in orbit“ des aus Argentinien stammenden und in Berlin lebenden Künstlers Tomás Saraceno. Seit Ende 2023 ist die Installation geschlossen und wird im Frühjahr 2024 abgebaut.
In diesem Artikel schildere ich unseren Besuch aus dem Jahr 2018.
In orbit besteht aus Stahlnetzen, die in verschiedenen, ineinander übergehenden Ebenen unter der Glaskuppel gespannt sind. Zwischen den Netzen befinden sich große, luftgefüllte, Sphären, die wie überdimensionale Wasserbälle wirken. Eine dieser Sphären ist verspiegelt, die anderen sind transparent.
Bis zu zehn Besucher dürfen sich gleichzeitig auf dem Kunstwerk aufhalten und auf den Netzen laufen, sitzen oder liegen. Die Netze sind zwar recht straff gespannt, aber reagieren natürlich auf die Bewegungen der Besucher, die sich dann wieder auf die anderen Besucher übertragen. Die Kugel verteilen die Bewegungen wiederum auf die anderen Ebenen, so dass die gesamte Konstruktion immer in Bewegung ist.
Sehr schön ist es auf der Seite der Kunstsammlung NRW, zu der das K21 gehört, beschrieben: „Die Installation wirkt wie eine surreale Landschaft, ein Wolkenmeer oder wie der Kosmos mit seinen scheinbar schwerelos schwebenden Planeten.“
Schon bei meinem letzten Besuch in Düsseldorf wollte ich das Netz besuchen, jetzt ergab sich die Möglichkeit, es zusammen mit meinem Sohn auszuprobieren.
Der Besuch der Installation beginnt mit dem Anlegen eines Overalls und von Trekkingschuhen. Auch wenn man schon mit passendem Schuhwerk kommt, sollte man auf die bereitstehenden Schuhe wechseln, die Stahlnetze können den Schuhen arg zusetzen, wie ich an meinen Leihschuhen gesehen habe. Nach einer kurzen Einführung betritt unsere Zehnergruppe dann die Netzkonstruktion.
Zunächst gilt es, vom Einstieg am hier steilen Netz hinunterzuklettern, dann können wir die ersten aufrechten Schritte wagen. Zunächst ist es noch ganz einfach, denn wir befinden uns nur etwa anderthalb Meter über den Fußboden. Wir können uns also ganz auf die Schwingungen des Netzes einlassen.
Aber die etwa 2500 Quadratmeter große Installation befindet sich zur Hälfte auch über dem Atrium. Und dort wird es dann richtig interessant. Denn dort stehen wir auf plötzlich sehr filgran erscheinenden Stahlnetz in gut 25 Metern Höhe über dem schwarzen Boden des Eingangsbereiches.
Die Museumsbesucher, die dort unten umhergehen, sehen sehr klein aus. Etwa so klein wie die Menschen, die wir wenige Minuten zuvor vom Erdgeschoß aus im Spinnennetz unter der Kuppel gesehen haben.
Es kostet schon etwas Überwindung, aus dem sicheren Bereich in das Netz über dem Abgrund zu gehen. Aber dann ist es doch ein besonderes Erlebnis. Anders als man ausgesetzte Stellen in den Bergen erlebt, auch anders als am Klettersteig. Es ist vielleicht ein wenig mit einem Hochseilgarten vergleichbar, aber doch auch wieder ganz anders. Man muss sich einfach darauf einlassen.
In orbit erinnert nicht zufällig an ein Spinnennetz. Tomás Saraceno hat die Installation drei Jahre lang zusammen mit Ingenieuren, Architekten und Biologen geplant und sich dabei von der Konstruktion von Spinnennetzen inspirieren lassen.
Diese findet man auch in einem Austellungsraum wieder. Im ansonsten schwarzen Raum sind zwei Würfel aus Metallstangen aufgehängt, in denen Spinnen umfangreiche Netze gespannt haben. Sehr faszinierend!
Die Installation sollte ursprünglich nur für ein im K21 zu sehen und zu begehen sein. Aufgrund ihrer Beliebtheit beim Museumspublikum durfte die Installation länger bleiben.
Letztendlich wurden es zehn Jahre, bis die Installation Ende 2023 für Besucher geschlossen wurde. Nach dieser langen Zeit der Nutzung wäre eine komplette Überholung notwendig gewesen. Museum und Künstler haben sich daher für einen Abbau der Installation entschieden.
Links:
In orbit auf der Homepage von Tomás Saraceno
Informationen zum Kunstwerk auf kunstsammlung.de
Auf Instagram findet Ihr Fotos unter dem Hashtag #k21inorbit
Das Ständehaus in Düsseldorf