»Wir haben jahrzehntelang Insektenvernichtungsmittel auf die Felder gespritzt, und jetzt sind wir traurig, dass die Insekten vernichtet sind.« (Hagen Rether)
Vom 31.1. – 13.2.2019 können sich alle wahlberechtigten Bayern im Rathaus ihres Wohnortes für das Volksbegehren Artenvielfalt eintragen. Wichtig ist, dass man einen gültigen Ausweis mitbringt!
Fast die Hälfte der Fläche Bayerns wird landwirtschaftlich genutzt. Über 75 Prozent der Wildbienen sind in den letzten 10 Jahren verschwunden, deutschlandweit stehen 8000 Insektenarten auf der roten Liste. Mit den Insekten verschwinden die Tiere, denen sie als Nahrungsgrundlage dienen.
So hat sich die Zahl der Feld- und Wiesenvögel in den letzten 30 Jahren, die durch Flurbereinigung, massiven Pestizideinsatz und Industrialisierung der Landwirtschaft geprägt waren, halbiert. Auch die Zahl anderer Insektenfresser geht zurück. Die Sauberkeit des Grundwassers ist durch Überdüngung zunehmend gefährdet.
Gleichzeitig nimmt die Zahl der Bauernhöfe weiter ab. Besonders die in der Werbung immer gezeigten kleineren bäuerlichen Familienbetriebe sterben zugunsten weniger, aber immer größerer Erzeuger.
Prof. Dr. Herbert Henzler, langjähriger Deutschland-Chef der Unternehmensberatung McKinsey, antwortet in einem Interview im Alpenvereinsjahrbuch BERG 2019 auf die Frage, was ein Christ mit der Schöpfung anstellen darf und was nicht:
»Da bin ich mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo ich oft nicht mehr weiterweiß. Wir überdüngen die Felder, die Bäche tragen keine Fische mehr, die Böden erodieren. Fliegt man nach München, sieht man da unten nur noch Raps und Mais. Die Bauern betreiben Biogasanlagen, weil da mehr Geld rauskommt, aber das kann es nicht sein. Ich habe zum Boden einen besonderen Bezug. Diese Ressource gibt es nur einmal. Man kriegt die Stafette in die Hand und irgendwann gibt man sie weiter. Und wenn ich sie so weitergebe, dass meine Kinder und Enkelkinder nicht mehr wissen, wie Singvögel zwitschern und dass es Kastanien gibt und Maikäfer, dann ist das eine ganz schlimme Entwicklung.«
(BERG 2019, S. 104, Interview mit Axel Klemmer, S. 102-105)
Das Volksbegehren Artenvielfalt
Diesen Entwicklungen will das Volksbegehren Artenvielfalt entgegenwirken. Durch weniger Pestizideinsatz, dafür mehr Biolandbau und ökologische Landwirtschaft (30% im Jahr 2030 statt aktuell 10%), mehr Blühwiesen und Biotopverbünden, mehr regionaler Bioerzeugung.
Dabei richtet sich das Volksbegehren nicht gegen die Bauern, sondern zielt auf eine neue Agrarpolitik. Dazu gehören nach Ansicht der Initiatoren auch eine nachhaltige Ausbildung der Bauern und erhöhte Transparenz für die Verbraucher.
Weiter sollen Gewässerschutzstreifen, die in anderen Bundesländern längst obligatorisch sind, auch in Bayern Pflicht werden, die Lichtverschmutzung soll reduziert werden und die Staatsforste sollen biologischer wirtschaften.
Die Schwerpunkte des Volksbegehrens sind:
- Biotopverbünde schaffen
- Nachhaltige Ausbildung
- Mehr Transparenz
- Mehr öko, mehr Bio
- Mehr Blühwiesen
- Weniger Pestizide
- Eine riesige Chance für die Bauern
Genaue Erläuterungen zu den einzelnen Punkten findet Ihr direkt auf der Startseite volksbegehren-artenvielfalt.de, wenn Ihr zum Punkt “Unsere Schwerpunkte” herunterscrollt. Weitere Fragen und Antworten gibt es in der FAQ Artenvielfalt. Den vollständigen Gesetzentwurf könnt Ihr als PDF herunterladen.
Trägerkreis des Volksbegehrens sind die ÖDP>, Der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) und Bündnis90/Die Grünen.
Über 170 Organisationen, darunter der BUND Naturschutz in Bayern, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Landesverband Bayerischer Imker und weitere Imkerorganisationen, die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA, der Verein zum Schutz der Bergwelt und viele andere sind Bündnispartner. Die gesamte Liste seht Ihr hier.
Auch der Deutsche Alpenverein unterstützt das Volksbegehren: Rettet die Bienen, Vögel und Schmetterlinge – stoppt das Artensterben!
Was sind Volksbegehren und Volksentscheid?
Um ein Volksbegehren zu starten, müssen die Initiatoren zunächst 25.000 Unterschriften sammeln, die dann dem Bayerischen Innenministerium übergeben werden. Diese erste Stufe wurde mit mehr als 100.000 Unterschriften im Oktober 2018 deutlich übersprungen.
Das Volksbegehren findet nun vom 31.1. bis 13.2. statt. Alle in Bayern Wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger können in ihrem Rathaus für das Volksbegehren Artenvielfalt stimmen. Wenn mindestens 10% der Wahlbevölkerung, also knapp ein Million Bayern unterschreiben, muss innerhalb von sechs Monaten ein Volksentscheid durchgeführt werden.
Beim Volksentscheid können die Wahlberechtigten mit “Ja” oder “Nein” über den Gesetztentwurf abstimmen. Wenn beim Volksentscheid die Mehrheit für den Antrag stimmt, wird dieser zum Gesetz. Der Volksentscheid ist nicht notwendig, wenn der Landtag den Gesetzentwurf unverändert annimmt.
Volksbegehren und Volksentscheid sind also Mittel der direkten Demokratie, mit denen die Bürger unmittelbar auf die Gesetzgebung Einfluß nehmen. Das bekannteste Beispiel waren das Volksbegehren und Volksentscheid zum Nichtraucherschutz in bayerischen Gaststätten im Jahr 2010.
Weitere Informationen über Volksbegehren und Volksentscheide in Bayern findet Ihr in der FAQ Volksbegehren und auf den Seiten des Bayerischen Innenministeriums. Dort erfahrt Ihr auch, wie Ihr teilnehmen könnt, wenn Ihr, etwa aus beruflichen Gründen, nicht das Rathaus Eures Heimatortes besuchen könnt.
Kritik von Bauernverband und CSU
Die CSU als Partei, die die Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte in Bayern und Deutschland maßgeblich politisch geprägt hat und der politisch einflußreiche Bayerische Bauernverband lehnen das Volksbegehren Artenvielfalt ab.
Der Bayerische Bauernverband bezeichnet es pauschal und meiner Ansicht nach recht plump als »Bauernbashing«. Auch die Landtagsfraktion der CSU und Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner unterstützen es nicht. Hier ein Artikel des BR mit Zitaten von Markus Söder und Julia Klöckner.
Zur Kritik des Bauernverbands nimmt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Stellung: »Die AbL Bayern e.V. ist Unterstützerin des Volksbegehrens. Wir bitten alle Mitglieder und Freunde ganz herzlich um ihre Unterschrift! Da der Bauernverband mit bewussten Vereinfachungen und Falschdarstellungen ganz massiv gegen das Volksbegehren Stimmung macht, hier einige Argumente und Richtigstellungen.«
Nutzt die Möglichkeit der direkten Demokratie, informiert Euch umfassend, wägt die Argumente ab, diskutiert. Und wenn Ihr Euch dafür entscheidet, das Volksbegehren zu unterstützen, schnappt Euch Euren Personalausweis oder Reisepass und geht in Euer Rathaus. Damit wir die möglicherweise letzte Möglichkeit, die heimische Artenvielfalt zu erhalten, nutzen.
Rebecca hat in den Kommentaren auch auf den Rathausfinder verwiesen, über den Ihr die Eintragungszeiten Eures Rathauses finden könnt. Wenn Ihr in München wohnt, könnt Ihr Euch direkt auf muenchen.de über die sieben Eintragungsstellen in München informieren.
Update: Ergebnis des Volksbegehrens Artenvielfalt
Für das Volksbegehren Artenvielfalt haben in der zweiwöchigen Eintragsfrist 18,4% der stimmberechtigten Bayern unterschrieben. Damit ist es das bislang erfolgreichste Volksbegehren der bayerischen Geschichte. Für die Annahme mussten bayernweit mindestens 10% der Stimmberechtigen unterschreiben. Diese Zahl wurde in allen 96 Landkreisen und kreisfreien Städten übertroffen.
Vorläufiges Ergebnis: “Rettet die Bienen” erreicht 18,4 Prozent
Update: Der Text des Volksbegehrens wird Gesetz
Am 3. April 2019 haben CSU und Freie Wähler beschlossen, den Text des Volksbegehrens unverändert zu übernehmen, wodurch dieser Gesetz wird. Damit ist ein Volksentscheid zu dem Thema im Herbst nicht mehr notwendig. Die Initiatoren des Volksbegehrens zeigen sich zufrieden:
BR: Bienen-Volksbegehren wird Gesetz
Links
Weitere Informationen findet Ihr unter den folgenden Links:
Volksbegehren Artenvielfalt: Homepage / Facebook / Twitter
LBV: Volksbegehren Artenvielfalt
Bayerisches Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration: Volksbegehren und Volksentscheide
Max-Planck-Gesellschaft: Max-Planck-Forscher unterstützen Volksbegehren Artenvielfalt
Informationen und FAQ des BUND Naturschutz: Volksbegehren Artenvielfalt: Rettet die Bienen!
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Flächenverbrauchs-Bericht 2018
Spektrum.de: Es ist etwas faul im ländlichen Raum
Bayerisches Landesamt für Umwelt: Besondere Vorsorge beim Trinkwasserschutz und Kooperation mit Landwirten
Bayerischer Rundfunk BR: Bauernpräsident kritisiert Volksbegehren “Rettet die Bienen”
Bayerischer Rundfunk BR: In Europa ist die Hälfte der Feldvögel verschwunden
Bayerischer Rundfunk BR: Gülle, Pillen, Müll & mehr – Was in Bayerns Trinkwasser sickert
Bayerischer Rundfunk BR: Wie viel kostet uns das Nitrat im Trinkwasser?
Augsburger Allgemeine: In Bayern sterben die kleinen Bauernhöfe
Tagesschau.de: Düngemittel-Belastung – Trinkwasser wird immer teurer
Auch andere Outdoorblogger unterstützen das Volksbegehren. Viele durch Hinweise und Verlinkungen auf Facebook und Twitter, andere haben auch eigene Beiträge geschrieben:
Abenteuer Berge: Volksbegehren Artenvielfalt – Geschichte schreiben in Bayern!
Deichjodler: Rettet die bayrischen Bienen und Blumen! und Ja wo summen sie denn?
Auch hier nochmals vielen lieben Dank für dein Engagement für das Volksbegehren! Werde deinen Beitrag auch bei mir verlinken.
Aufmerksam machen möchte ich noch auf den sehr praktischen Ratshausfinder – hier findet man ganz einfach die erweiterten Öffnungszeiten im zweiwöchigen Eintragungszeitraum: https://rathausfinder.volksbegehren-artenvielfalt.de/
Viele Grüße
Rebecca
Hallo Rebecca,
vielen Dank für den Hinweis auf den Rathausfinder! Ich habe ihn auch nochmal im Artikel ergänzt. Und auch Links zu Deinem Artikel und denen vom Deichjodler gesetzt.
Viele Grüße und jetzt geht es “ab ins Rathaus!”
Uli