Buch: Berg 2012 – Alpenvereinsjahrbuch, mit den Schwerpunkten Dolomiten und Brenta
Ein Titel, wie in Fels gehauen: Berg 2012. Nur versehen mit dem Zusatz “Alpenvereinsjahrbuch” und dem Edelweiß. Ein großformatiges Buch mit 256 Seiten voller Reportagen, Interviews, Hintergrundartikel, Fotos. Herausgegeben vom Deutschen Alpenverein, dem Österreichischen Alpenverein und dem Alpenverein Südtirol.
BergFokus
Das Buch ist in sechs große Kapitel gegliedert. Die ersten 90 Seiten unter den Überschriften “BergFokus” und “BergWelten” gehören den beiden Hauptthemen des diesjährigen Buches. Das sind die Dolomiten, seit 2009 UNESCO Weltnaturerbe der Menschheit, sowie das Brenta-Massiv. Erläutert werden die Entstehung der Dolomiten, wie der Dolomiten-Tourismus begonnen hat, aber auch, wie die Dolomiten zum Schauplatz des erbitterten Stellungskriegs im ersten Weltkrieg wurden.
Der zweite Artikel befasst sich mit den Dolomiten als UNESCO Welterbe, welche Veränderungen der Welterbe-Status bedeutet und welche Anstrengungen schon unternommen wurden, um die Dolomiten-Landschaft zu bewahren. Nach den Portraits berühmter Bergführer aus den Dolomiten erläutert Hanspeter Eisendle, warum das Klettern in den Dolomiten so besonders ist. Ein weiterer Artikel zeigt die Besonderheiten der ladinischen Kultur und Sprache, die in einigen Dolomitentälen bis heute gelebt wird.
BergWelten
Gehört die Brenta zu den Dolomiten oder nicht? Je nach Sichtweise ja oder nein. Aber im Alpenvereinsjahrbuch liegen sie ebenso direkt beieinander wie in Wirklichkeit. Die beiden Brenta-Artikel zeigen die klassischen Kletterrouten und beschreiben anhand der “Dolomiti di Brenta Bike” Tour, wie gut geplanter Tourismus eine nachhaltige regionale Entwicklung fördern kann.
BergSteigen
Das Kapitel “BergSteigen” widmet sich den Alpinen Leistungen der letzten Zeit. Genannt werden hier zum Beispiel die Kletterelite um Adam Ondra, Chris Sharma oder der Boulderin Anna Stöhr. Bigwall-Bestigungen im Yosemite durch Alex Honnold oder Hans-Jörg Auer und anderen.
Dann die Alpinen Leistungen in den Alpen, an den “kleinen” hohen Bergen bis 7500 Meter oder die Highlights der Achttausender. Hier wird vor allem die erste Winterbesteigung eines Achttausenders im Karakorum durch Simone Morro, Denis Urubko und Cory Richards genannt. Die drei konnte ich kürzlich im Rahmen der North Face Speaker Series in München sehen. Eine tolle Veranstaltung, wenn es sowas noch einmal gibt, solltet Ihr unbedingt hingehen!
Eine eigene Chronik ist den Frauen gewidmet. Völlig zu recht, denn so wie in den letzten Jahren stand das Frauenbergsteigen wohl noch nie im Fokus. Durch den Hype “Wer besteigt als Erste alle Achttausender”, dem die Diskussionen um Stil und möglicherweise doch nicht komplette Gipfelbestigungen folgten. Aber auch viele andere alpinistische Leistungen von Frauen werden noch einmal genannt. Aus deutschsprachiger Sicht sind hier sicher Ines Papert und Anna Stöhr die bekanntesten.
Der eher stichpunktartigen Chronik schließen sich die langen Expeditionsberichte und Reportagen an. Hier geht es zunächst in die Ostantarktis, ins “Dronning Maud Land”. Ein langer Artikel über ein Land, das nur die wenigesten je erreichen, mit faszinierenden Fotos der menschenleeren Weite.
Das tschechische Klettergebiet Adršpach wird vorgestellt, wobei die Fotos mich an Reportagen über das Elbsandsteingebirge erinnern. Aber das liegt ja auch gar nicht so weit weg. Danach geht es weit weg, bis nach Patagonien. Diesmal aber nicht zum Bergsteigen oder motorisiert über die Panamericana, sondern 1300 Kilometer im Faltboot über die chilenischen Fjorde. Den Abschluss des “BergSteigen”-Kapitels bildet ein Bericht über Hochtouren in der Angelusgruppe am Ortler.
BergMenschen
Im Kapitel “BergMenschen” werden fünf Menschen mit ihren persönlichen und besonderen Bergerlebnissen porträtiert. Der ötztaler Kletterer Hansjörg Auer wird in einem langen Artikel vorgestellt. Die italienische Bergsteigerin Nives Meroi erzählt im Interview über ihre Achttausender-Leidenschaft, aber auch über die Beziehung zu ihrem erkrankten Mann und Bergpartner Romano Benet.
Der schweizer “Freigeist der Lawinenkunde” Werner Munter, der das bekannte “3×3” System der Lawinenrisiko-Abschätzung entwickelt hat, wird portraitiert. ebenso der berühmte Tiroler Bergsteiger Hias Rebitsch, über den im vergangenenen Jahr ein Buch im Tyrolia Verlag erschienen ist.
BergWissen
Hier fand ich besonders den Artikel über Gebirgskarten interessant. Wer alte Landkarten mag, kommt hier auf seine Kosten, denn es gibt auch einige Abbildungen historischer Gebirgskarten. Dazu enthält dieses Kapitel zwei Artikel, die sich mit dem Skifahren in den österreichischen Alpen befassen. Umweltfreundliches Skibergsteigen ebenso wie der Erschließungsdruck immer größerer und immer komfortablerer Skigebiete. Dazu: Vom Recht auf Risiko und über ein Bericht über die Auswüchse in der Skyrunning-Szene.
BergKultur
“Das letzte große Kapitel, beleuchtet die Historie des Alpenvereins. Im Jahr 2012 feiert der österreichische Alpenverein seinen 150. Geburtstag. Hierzu gibt es einen Beitrag zur Standortbestimmung, als Rückblick und Ausblick auf die Zukunft.
Im Mittelpunkt des Kapitels stehen besonders die dunklen Kapitel der Alpenvereins-Historie. Hier besonders der starke Nationalismus im deutschen und österreichischen Alpenverein und die Ausgrenzung der jüdischen Mitglieder, die schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts vollzogen wurde. Dazu ein Bericht über die Exkursion zum Friesenberghaus im Zillertal, das 1928-1931 von der Sektion Donauland zusammen mit dem Alpenverein Berlin errichtet wurde und heute seine jüdische Geschichte pflegt und in einer Dauerausstellung zeigt.
Diese Artikel nehmen damit auch Bezug zu zwei Ausstellungen, die in den Alpinen Museen gezeigt wurden bzw. werden: “Hast Du meine Alpen gesehen” und “Berg Heil! Alpenverein und Bergsteigen 1918 – 1945”, die zur Zeit im Alpinen Musuem in München gezeigt wird.
Ein weiterer historischer Artikel zeigt, wie direkt der Bau der Eisenbahnlinien zum Beginn des Alpinismus und auch zur Gründung der alpinen Vereine beigetragen hat. Und warum findet man auch außerhalb der Berge und des Bergsports in der Werbung zur Zeit so oft alpinen Lifestyle?
Was man in “Berg 2012” übrigens trotz des Zusatzes “Alpenvereinsjahrbuch” nicht findet, sind Statistiken, lange Tabellen und Listen oder die Rechenschaftsberichte der Alpenvereine. Diese bekommt man bei den Alpenvereinen selbst.
“Berg 2012” bietet dafür viele, lange Reportagen, Berichte, Interviews, die jeweils den Anspruch haben, über das aktuelle Geschehen hinaus zu bestehen. Die Artikel, vor allem im ersten Teil, sind mit beeindruckenden Fotos reich bebildert, die durch das große Format des Buches und den hochwertigen Druck sehr gut zur Geltung kommen.
“Berg 2012” gibt es sowohl für Alpenvereins-Mitglieder als auch für Nichtmitglieder zum selben Preis. Der Mitgliederausgabe liegt jedoch zusätzlich die Alpenvereinskarte 51, “Brentagrupe” bei.
Berg 2012 – Alpenvereinsjahrbuch
Herausgeber: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein , Alpenverein Südtirol
256 Seiten
Tyrolia-Verlag
ISBN: 978-3-7022-3159-0
17,80 €
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