Das Alpenvereinsjahrbuch 2025: Dachstein / Bergfotografie
Jedes Jahr im Herbst, wenn die Abende länger werden als die Tage, erscheint das Alpenvereinsjahrbuch. Und jedes Jahr freue ich mich darauf, weil es immer so viele interessante und neue Aspekte, Blickwinkel und Denkansätze rund um Bergsport, Bergleben, Kultur und Historie gibt. In diesem Jahr widmen sich die zwei großen Hauptkapitel Themen, die mich besonders interessieren: Dachstein und Bergfofografie.
Das Kapitel „BergWelten“ befasst sich in diesem Jahr mit dem Dachstein, diesem mächtigen, weit sichtbaren Bergmassiv mit seinen Gletschern, der beeindruckenden Dachstein-Südwand, einer langen Bergsteiger-Historie und seinen verschiedenen Kulturlandschaften.
Der Hohe Dachstein verpasst mit 2995 Metern Höhe die Dreitausendermarke knapp. Man muss schon das Gipfelkreuz mitzählen, damit es mit der 3000 passt. In den österreichischen Alpen gibt es 695 Gipfel, die über 3000 Meter hoch sind, dennoch hat der Dachstein eine geradezu magische Anziehungskraft, die vielen anderen Bergen fehlt.
Sicher auch durch die Südwand mit der Seilbahn auf den immer noch mächtigen Dachsteingletscher. Als Kletterberg und Klettersteigberg, mit Gipfeln, die lange als unbesteigbar galten, als Wander- und Skigebiet.
Mit dem vorgelagerten Gosaukamm mit Gosausee, von dem aus man den Gletscher besonders gut sehen kann oder dem traditionsreichen und von Overtourism betroffenen Hallstadt. Der Hauptartikel befasst sich mit allen diesen Themen.
Die „Zwölf Apostel“ werden vorgestellt, weitere Gipfel des Dachsteingebirges, von denen man die besten Blicke auf den Hohen Dachstein hat.
Nach einem subjektiven Blick auf Leben und Sterben des größten Dachsteingletschers folgt ein Interview-Kapitel mit großartigen Fotos über Klettersteige, von denen es in der Dachstein-Region sehr viele gibt, unter anderem den berühmten Donnerkogel-Klettersteig mit seiner Himmelsleiter.
Zwei weitere Artikel befassen sich mit der Historie: Der Bergsteigerhistorie, in der es um Hütten- und Wegebau durch den Alpenverein geht und, noch weiter zurück, um Almen- und Gletscherarchäologie.
Den Abschluss des Dachstein-Kapitels bildet ein sehr persönlicher Artikel um den Umgang mit dem Verlust einer Bergfreundin: „Der rote Helm“.
Das zweite Hauptkapitel heißt immer „BergFokus“, aber in diesem Jahr passt der Titel besonders, da es um Bergfotografie geht. Schon der erste Beitrag „Ich muss bessere Bilder machen“ ist voll mit beeindruckenden Bergfotos.
Kein Wunder, der Autor Robert Bösch ist professioneller Bergfotograf. Eines der abgebildeten Fotos stammt aus der Fotoserie zum 150-jährigen Jubiläum des Bergsportausrüsters Mammut. Vielleicht habt Ihr da noch Fotos im Kopf.
Der nächste Beitrag betrifft uns Normalfotografierer: „All die schönen Bilder – Was wir aus den Bergen mit nach Hause bringen“. Eine Sammlung von Interviews mit Menschen, die mit Bergfotografie zu tun haben. Ein professioneller Blick auf die Fotos der Laien.
Und dann gibt es die „Bilder für die Ewigkeit“, die jeder kennt,der gener in den Bergen ist und darüber liest. Heinz Zak fotografiert Alexander Huber und Lynn Hill am El Capitan.
Stefan Glowacs hängt an einer Hand an der Kante eines Felsdachs in Australien, Ines Papert zwischen Felswand und Felsdach in Patagonien. Fotos, die in die Klettergeschichte eingingen.
Und das ikonische Foto von Kurt Albert: In Lederhose, mit Sonnenbrille und Hut. Mit einer Hand am Fels hängend, in der anderen eine Maß Bier.
Nach einem Blick auf historische Bergfotos und Gedanken über die Landschaftsfotografie und die Dokumentation der menschengemachten Veränderungen dieser Landschafte geht es in zwei Artikeln um die aktuellen rasanten Veränderungen der Bergfotografie: Wie verändern sich Bergfotografie und Bergberichterstattung durch Drohnen, Videoformate, elektronische Medien und Social Media?
Im letzten Artikel wird gepromptet: In zehn Schritten werden wir in „Die Kunst des Promptens“ eingeführt. Mit Hilfe einer KI (Künstliche Intelligenz, auch: AI = Artificial Intelligence) werden anhand eines historischen Bergfotos neue Bilder generiert.
Ein sehr interessanter Beitrag, der zum selbst-Ausprobieren einlädt, da die Prompts (die Angaben, wie das Bild aussehen soll) und die Ergebnisse jeweils gezeigt werden. Für die Bildersets unten habe ich jeweils die Prompts aus dem Buch genutzt. Dort werden die Bilder mit Midjourney erstellt, ich habe die kostenlose Version von Leonardo.ai genutzt.
Hier eine Auswahl der Bilder, die ich erstellt habe, mit denselben Prompts, die im Buch verwendet werden:
Schritt 2 im Buch:
„jack mcgowran, standing on top of a mountain, in the style of georg jensen, norman parkinson, arthur skizhali-weiss, exacting precision, samikshavad, post-world war ii school of paris, whistlerian“
Schritt 4:
„a woman on top of a mountain with a rifle, in the style of post-world war ii school of paris, theatrical gestures, 1940s-1950s, masculine, photo taken with provia, whistlerian, handsome“
Schritt 6:
„wide-legged standing mountaineer with ice axe in the crok of his arm in front of alpine scenery, low camera angle“
Wie im Buch habe ich zu jedem Prompt vier quadratische Bilder erstellen lassen. Hier sind die Ergebnisse:
An den Ergebnissen sieht man, wie mächtig selbst die kostenlosen Versionen der KI-Bildgenerierung schon sind. Aber auch, dass sie noch lange nicht perfekt sind. Achtet auf die Gewehre der Frau im zweiten Set. Da passt doch was nicht. Aber: Seht Euch diese Bilder noch einmal in einem oder zwei Jahren an und vergleicht sie mit dem, was dann möglich sein wird!
Die Artikel in „BergMenschen“ befassen sich regelmässig nicht nur mit den bekannten Bergsteigern und Bergsteigerinnen, von denen man immer wieder liest. Neben einem Portrait von Gerlinde Kaltenbrunner, die wir natürlich kennen, gbt es zwei Artikel über Menschen des 20. Jahrhunderts.
Beide haben die Zeit als Jugendliche oder junge Erwachsene in der Zeit des zweiten Weltkriegs erlebt und versucht, so oft es möglich war, zu Klettern. Der Innsbrucker Bergsteiger und spätere Bergführer Kuno Rainer war Soldat und nutze freie Zeit zum Klettern in den Berge.
Die Dresdnerin Ilse Frischmann erlebte an den Felsen der sächsischen Schweiz verbotenerweise die Freiheit, die ihr als Jüdin in der Stadt immer mehr genommen wurde. Beide haben den Krieg überlebt, Ilse Frischmann auch das Konzentrationslager Auschwitz.
Beide Artikel sind völlig unabhängig voneinander und es gib keine direkte Verbindung zwischen Ilse Frischmann und Kuno Rainer. Aber in der Kombination ergänzen sich die Artikel gegenseitig.
In „BergSteigen“, dem Kapitel über Bergsport, empfehle ich Euch besonders den letzten Beitrag, „Gehen, die Horizontale“, eine philosophische Betrachtung über die Grundform des menschlichen Unterwegsseins.
Handfest wird es wieder im „BergWissen“. Wie wild sind die Alpen? Ein Forschungsprojekt über Naturschutz, Wildnis und naturnahe Räume und die Entwicklung der Alpenregion. Dazu passend befasst sich ein weiterer Artikel mit dem Konflikt um das Alpenwasser befasst. Die alpinen Bäche und Flüsse und ihre umgebenden Landschaften und ganze Täler stehen im Widerstreit zwischen Naturschutz und der Energiegewinnung.
Die „BergKultur“ hat als Titelbild einen der gusseisernen Männer, die von 2010 bis 2012 im Lechquellengebirge standen. Leider habe ich es verpasst, einen der Männer des „Horizon Field“ von Antony Gromley in natura zu sehen. Der letzte Artikel des Buches erinnert noch einmal an die Installation und die Diskussionen darüber.
„Der andere Blick“ stllt den Bergmaler und Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins Carl Brizzi vor, einen Maler des 19. Jahrhunderts. Nach seinen Gemälden der Berge geht es bei „Die Schlanken und die Wampen“ (mein Lieblingstitel dieser Ausgabe!) um das Bild, um die Bilder, die wir von uns in den Bergen machen und vor allem in den sozialen Medien posten. Und welche Auswirkungen das auf unser Eigenbild hat. Interessant und ein Artikel, der wieder den Bogen zum Kapitel BergFokus spannt.
Um die Lieder und Liederbücher der Bergsteiger und Wandervögel vom Beginn der Bergbewegung bis in Dritte Reich handelt der Artikel „Klampfe, Gipfelkampf und Heldentod“.
Das war nur eine Auswahl der Artikel im diesjä#hrigen Alpenvereinsjahrbuch, die Artikel, die mich besonders angesprochen haben. Insgesamt findet Ihr in dem Buch auf 256 Seiten wieder eine Vielzahl lesenswerter Artikel, großartige Fotos und viele Anregungen und neue Blickwinkel. Diese Vielseitigkeit mag ich sehr am Alpenvereinsjahrbuch. Wie jedes Jahr gebe ich eine große und begeisterte Leseempfehlung ab!
Ein kleines Funfact am Rande: Bei dem Foto auf dem hinteren Umschlag wusste ich sofort, wo es aufgenommen wirde. Der Wegweiser mit seinen sechs Schildern vor der Felswand ist so charakteristisch, der hat sich mir eingeprägt. Falls Ihr (noch) nicht dort wart: Er steht direkt neben der Südwandhütte vor der Dachstein-Südwand. Hier zum Vergleich ein Foto von mir, das ich bei sehr ähnlichen Verhältnissen aufgenommen habe. Leider ist es nur ein Handyfoto und aus einem leicht anderen Blickwinkel aufgenommen:
Alpenvereinsjahrbuch BERG 2025: BergWelten: Dachstein. BergFokus: Fotografieren
Herausgeber: Deutscher Alpenverein, Österreichischer Alpenverein, Alpenverein Südtirol
256 Seiten
Tyrolia Verlag
ISBN: 978-3-7022-4238-1
25 €
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Ich habe das Buch vom Verlag als Rezensions- und Belegexemplar erhalten.