Die Jubiläums-Filmtour des Deutschen Alpenvereins
Der Berg ruft! Ein geflügeltes Wort, mit dem man anzeigt, dass man nun (endlich) wieder in die Berge geht. Viele wissen auch noch noch, dass „Der Berg ruft!“ ein alter Filmtitel ist. Aber welcher Berg hat dort gerufen? Wer BERGE150, die Jubiläums-Filmtour des Deutschen Alpenvereins besucht, erfährt es. Die Bergfilmtour ist der Auftakt zum Jubiläumsjahr des Deutschen Alpenvereins.
Im Jahr 1869 wurde der Deutsche Alpenverein in München gegründet, der mittlerweile zu einem der größten Sport- und Naturschutzverbände geworden ist. Zu den vielen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr gehört die Filmtour BERGE150. Auf eine hundertfünfzigjähre Geschichte kann der Bergfilm zwar noch nicht zurückblicken, aber es sind immerhin fast 90 Jahre Bergfilmgeschichte, die hier in 120 Minuten zusammengefasst werden.
Damit unterscheidet sich BERGE150 deutlich von den anderen Filmtouren wie der E.O.F.T. oder der Banff Mountain Film Tour, die jeweils aktuelle Filme zeigen, die mit modernen erzählerischen Mitteln und dem jeweils neuesten technischen Equipment produziert wurden.
Bei BERGE150 ist es interessant, die Entwicklung zu sehen, die der Bergfilm von „Der weiße Rausch“ aus dem Jahr 1931 bis hin zu „Tamara“ von 2014, dem neuesten Film des Abends, genommen hat. Auf der Premiere der Filmtour in der alten Kongresshalle in München wurden in etwa zwei Stunden insgesamt sieben Filme gezeigt, die meisten in längeren Ausschnitten.
Der weiße Rausch (1931)
Arnold Fanck war einer der Pioniere des Bergfilms. Schon lange vor „Der weiße Rausch“ von 1931 dreht er Bergfilme, sein bekanntester war wohl „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ aus dem Jahr 1929.
In „Der weiße Rausch“ geht es um eine sogenannte Fuchsjagd, bei der Leni und Hannes, gespielt von Leni Riefenstahl und Hannes Schneider, die Füchse eines Skirennens sind. Sie werden von einer Gruppe anderer Skifahrer gejagt, die ihnen die Mützen als Trophäen abjagen sollen. Die Handlung ist einfach gehalten. Neben einigen Slapstikelementen, die an Laurel und Hardy erinnern, dient sie vor allem als Aufhänger für die rasanten Skiabfahrten des Films.
Für einen Kinogänger zu Beginn der Dreißiger Jahre müssen die Filmszenen mit der Gruppe der wild den Arlberg hinabfahrenden Skifahrer genauso beeindruckend gewesen sein, wie die Szenen, die die Abfahrt aus der Sicht eines einzelnen Skifahrers zeigen. Hierfür hatte Fanck, der immer nach neuen filmischen Möglichkeiten suchte, eine Kamera direkt auf den Ski montiert. Jahrzehnte, bevor die heute allgegenwärtigen Actionscams erfunden wurden!
Tamara (2014)
Das Portrait begleitet die Südtiroler Bergesteigern Tamara Lunger bei ihrer Besteigung des K2 im Jahr 2014. Im Rahmen dieser Besteigung wird die Alpinistin vorgestellt, als Bergsportlerin, aber auch als Privatperson. So kommen auch sowohl Bergpartner, hier Simone Moro, als auch die Tamaras Eltern zu Wort und es werden Aufnahmen aus ihrer Kindheit gezeigt.
„Tamara“ fand ich, für sich genommen, den unspektakulärsten Film des Abends. Aber im Vergleich zu den alten Filmen wird deutlich, wie sich der Bergfilm verändert hat. Frühere Filme handelten vom Gipfelerfolg, idealerweise einer Erstbesteigung oder einem bekannten bergsteigerischen Drama mit Toten. Diese Filme gibt es natürlich immer noch, man denke nur an „Nordwand“, „Everest“ oder den Nanga-Parbat Film von Joseph Vilsmaier.
„Tamara“ steht aber für eine moderne Form des Bergfilms, der die Person des Bergsportlers in den Mittelpunkt stellen. Ein aktuelles Beispiel für diese Art von Filmen ist „Manaslu – Berg der Seelen“ über Hans Kammerlander, der derzeit in den Kinos läuft.
Keeper of the Mountains (2013)
Das Portrait von Miss Elizabeth Hawley, der Chronistin des Himalaya. Die gebürtige Amerikanerin hat als Journalistin ab den sechziger Jahren über Expeditionen auf die Sieben- und Achttausender des Himalaya berichtet und über vierzig Jahre lang die berühmte Himalayan Database aufgebaut.
Das sympathische Portrait zeigt die damals Neunzigjährige, wie sie Bergsteiger nach Details ihrer Besteigungen ausfragt, um deren Angaben zu prüfen, aber es zeigt auch Lebenslust und Humor der 2018 im Alter von 94 Jahren gestorbenen Elizabeth Hawley.
Bei der Premiere in München war Billi Bierling anwesend, die seit 2016 die Arbeit an der Himalayan Database von Elizabeth Hawley übernommen hat, nachdem sie sie schon viele Jahre unterstützt hatte.
Der Berg ruft (1937)
Ein weiterer Schwarzweißfilm ist der Film mit dem bekanntesten Titel und dem wohl bekanntesten Hauptdarsteller des Bergfilms: „Der Berg ruft“ von und mit Luis Trenker. Der Film handelt von der Erstbesteigung des Matterhorns im Jahr 1865, als der Italiener Jean-Antoine Carrel (gespielt von Luis Trenker) und der Engländer Edward Whymper sich einen Wettkampf um den Titel des Matterhorn-Erstbesteigers liefern.
Einige der Filmszenen, die bei den Kinozuschauern früher sicher vor Spannung die Luft anhalten ließen, wirken heute unfreiwillig komisch. Besonders die Sicherungstechnik von Luis Trenker hat für einige Lacher im Publikum gesorgt. Dafür kann man das Abseilen im Dülfersitz eingehend studieren.
Allgemeines Aufstöhnen bei den Premierengästen hat die Filmszene verursacht, als dem verunglückten Whymper als Medizin ein großer Schluck Enzianschnaps verabreicht wurde.
Der Blitz – Inferno am Montblanc (1971)
Im Jahr 1961 treffen sich eine italienische und eine französische Seilschaft in der Biwakschachtel am Col de la Fourche. Beide Gruppen wollen die Erstdurchsteigung des Frêney-Zentralpfeilers durchführen. Sie beschließen, die Erstdurchquerung gemeinsam anzugehen. Durch einen plötzlich auftretenden Wetterumschwung mit Gewitter und Vereisung müssen sie in der Wand umkehren. Beim Abstieg verlieren vier der sieben Alpinisten ihr Leben.
Der Film über die als Frêney-Tragödie bekanntgewordene Unternehmung, an der unter anderem Walter Bonatti teilgenommen hat, wurde 1971 vom deutschen Bergsteiger und Bergfilmer Lothar Brandler im Gebiet des Mont Blanc gedreht. Aufgrund der Bedingungen im Hochgebirge verzichtete er auf Schauspieler, sondern setzte Bergsteiger ein, um die Besteigung zehn Jahre zuvor nachzustellen.
Während der Dreharbeiten zu dem Film kamen Milan Doubek und Walter Grimm ums Leben, als eine Schneebrücke einstürzte. Michael Pause, der durch den Abend führte, erinnerte an Milan Doubek, den er persönlich kannte.
Nanga Parbat (1953)
Ein Dokumentarfilm der deutsch-österreichischen Expedition zum Nanga Parbat, auf der Herrmann Buhl schließlich in einem Alleingang die Erstbesteigung des Achttausenders gelang. Das Pathos und die Sprache mit vielen Anleihen aus der damals noch präsenten Kriegszeit (Kampf, Gipfelsturm, Abnützungskampf) erscheinen heutzutage unpassend.
Einige Filmszenen lassen aber auch den heutigen Zuschauer mitzittern, wie zum Beispiel die Überquerung einer fragilen Schneebrücke durch mehrere Bergsteiger.
Feuer und Eis (1985)
Wie schon „Der weiße Rausch“ von 1931 setzt auch Willy Bogners bekanntester Film auf die zur damaligen Zeit neuesten und spektakulärsten Effekte. Rasante, von Hubschraubern beleuchtete, Abfahrten auf Skiern und den damals neuen Snowboards, im Schnee vergrabene bunte Scheinwerfer, Fackeln und Explosionen sorgen für atemberaubende Bilder.
Auch hier ist die Handlung nebensächlich, der Film besticht durch die beeindruckenden Effekte zu 80er Jahre Diskomusik. Und auch durch die unglaubliche Mode der Achtziger Jahre. Ein Rivival von Aerobic-Höschen, Stirnbändern und Ballonseide!
Auch nach über 30 Jahren sind die Ausschnitte aus „Feuer und Eis“ noch ein spektakulärer Abschluss des Filmabends.
Nicht gezeigt wurde der im Programmflyer angekündigte Animationsfilm „Die Seilbahn“ aus dem Jahr 2008. Möglicherweise wurde er gestrichen, um die Premiere nicht zu lang werden zu lassen, da diese ja auch die Ankündigungen der einzelnen Filme und den Auftritt von Billi Bierling umfasste.
Mein Fazit
BERGE150 bietet in gut zwei Stunden und mit sieben Filmen einen schönen Überblick über neun Jahrzehnte Bergfilm. Interessant fand ich, die alten und modernen Filme im direkten Vergleich nacheinander zu sehen, wodurch die Entwicklung der technischen Möglichkeiten, aber auch der Schauspielerei und der Erzählweise eines Bergfilms deutlich werden.
Als historische Dokumente sind die alten Filme sehr interessant, aber letztendlich bin ich doch froh über die Bergfilme, die wir heutzutage haben. So passt diese spezielle Art der Bergfilmtour sehr gut als Jubiläumstour des Alpenvereins. Dauerhaft würden die alten Filme auf Filmtouren aber sicher nicht mehr funktionieren.
Was auch auffällt: Wer und was nicht vokommt. Viele Jahrzehnte Bergfilm in zwei Stunden abzubilden, ist nur möglich, indem auf vieles verzichtet wird. So beschränkt sich BERGE150 zunächst auf deutschsprachige Filme.
Im Nachhinein fällt auch auf, wie viele bekannte Bergsportler trotz der Beschränkung auf den deutschsprachigen Raum in den zwei Stunden nicht vorkommen und dass einige Bergsportarten komplett außen vor bleiben.
Dass der bekannteste Bergsteiger der Welt, Reinhold Messner, nicht dabei ist, mag mit dem speziellen Verhältnis zwischen ihm und dem Alpenverein zusammenhängen. Aber auch andere bekannte Namen wie Hans Kammerlander, die Huberbuam, Stefan Glowacz und Kurt Albert oder David Lama, die berühmte Bergfilme gedreht haben, tauchen nicht auf. Sportklettern, Bouldern oder Mountainbiking sind ebenso nicht vertreten wie alle Luft- oder Wassersportarten, deren spektakuläre Filme man von anderen Filmtouren kennt.
Es bleibt: Eine interessante Reise durch den Bergfilm von seiner schwarzweißen Frühzeit bis fast in die Gegenwart, die in dieser Zusammenstellung sicher einmalig bleiben wird.
Alle Informationen zur Filmtour BERGE150 mit Daten und dem Trailer findet Ihr auf der Homepage des Alpenvereins.
Einige der Filme auf DVD: