Die EOFT-Premiere 2022 in der alten Kongresshalle in München
Ein Donnerstagabend im Oktober in München. Unweit der Theresienwiese, wo gerade die Oktoberfest-Zelte abgebaut werden, steht einer der festen Termine des Outdoor-Herbstes an: Die Premiere der European Outdoor Film Tour, kurz EOFT.
Wieder hatte ich Karten für die Premiere, wieder war ich sehr gespannt auf die Filme. Dieses Mal, ohne dass ich einen Film gehabt hätte, auf den ich mich im Voraus besonders gefreut habe.
Der Abend hätte also ein Reinfall werden können. Kurzer Spoiler: War er nicht, das EOFT-Team hat wieder eine vielfältige und interessante Auswahl aus den aktuellen Outdoor-Filmen getroffen.
Eine Auswahl, die es so vor einigen Jahren vermutlich noch nicht gegeben hätte. Unser Eindruck war, dass die Filme in mehrerer Hinsicht diverser geworden sind, was der Tour gut tut und neue Blickwinkel und Erkenntnisse ermöglicht.
Nicht nur die spektakulären und bildgewaltigen Leistungen zu zeigen, die es natürlich auch noch gab, sondern auch andere Filme zu zeigen, die einen nicht mit optischer Opulenz umhauen, sondern mit inhaltlichem Anspruch überzeugen.
So wie es im Vorjahr etwa der FIlm „Climbing Iran“ war, der aufgrund der politischen Lage in dem Land gerade wieder besonderers aktuell erscheint. Ein aktuelles Interview mit Nasim Eshqi findet Ihr übrigens bei alpin.de.
Zurück zur aktuellen EOFT. Acht Filme werden gezeigt, sehr unterschiedlich, alle auf ihre Art beeindruckend. Der erste und der letzte Film fielen unserer Meinung nach etwas ab. Das waren die klassischen Wow-Filme mit tollen Bildern und satten Bässen, die aber darüber hinaus kaum wirken, in denen man auch nichts über die Sportler erfährt. Dafür waren die sechs Filme dazwischen umso interessanter.
Hier eine kurze, sehr subjektive Beschreibung der Filme in der Reinhenfolge, in der sie gezeigt wurden.
Helix
Paragliding hört sich entspannt an, Speedflying ist das genaue Gegenteil. Beeindruckende Bilder von Paraglidern, die durch enge Schluchten rasen, wie ich es bisher nur von Wingsuit-Fliegern gesehen habe. Mit wummernder Musik unterlegt sind das vier Minuten Adrenalin. Toll anzusehen, als Reinkommer-Film ist das in Ordnung.
The Mirage
The Mirage ist der Hauptfilm des Abends. Der Ultrarunner Timothy Olson läuft den Pacific Crest Trail. Das ist ein über 4000 Kilometer langer Weitwanderweg, der parallel zum Pazifk, von der mexikanischen Grenze bis zur kanadischen Grenze durch die US-Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington verläuft.
Timothy Olson will diese Strecke in 51 Tagen schaffen, was bedeutet, dass er jeden Tag die Strecke von zwei Marathonläufen schaffen muss. Ohne Ruhetag zwischendurch.
Eine unglaubliche Leistung, für die ihm auch seine Familie und sein Trainer wichtig sind. Ein schöner Film. Aufgrund der Länge der Strecke kommt die Landschaft in den 26 Minuten aber leider etwas kurz, hat uns aber dennoch sehr gefallen!
Natürlich war Timothy Olson, ein sympathisch ruhiger Typ, als „Gesicht der Tour“ bei der Premiere dabei.
Skisick
Umso mehr Landschaft gibt es bei „Skisick“ zu sehen. Eine Gruppe Freerider segelt vom norwegischen Festland aus nach Spitzbergen, um neue Freeride-Abfahrten zu finden.
Der erhoffte geniale Schnee bleibt aus, denn bei Temperaturen bis 13 Grad ist der Schnee auch so weit im Norden nicht mehr wie erhofft. Ein kurzer Hinweis auf die Klimakrise. Im Norden der Inselgruppe finden sie aber noch waghalsig-beeindruckende Abfahrten. Ein schöner Film!
Bridge Boys
Tom Randall und Pete Whittaker, die wir vor eingen Jahren schon als „Wide Boyz“ kennengelernt haben, sind zwei der weltbesten Rißkletterer. Während des Corona-Lockdowns, der in ihrer Heimat Großbritannien strikter war als hier, trainierten sie im Keller. Den als Kletterhöhle ausgebauten Keller kennen wir ja noch aus dem „Wide Boyz“ Film.
Als die Lockdown-Regeln gelockert wurden und Reisen zumindest auf der Insel wieder möglich waren, machten sie sich auf die Suche nach passenden Kletterrevieren. Ihr Problem: In Großbritannien gibt es kaum Möglichkeiten zum Rißklettern. Bis sie sich die Unterseite einer Betonbrücke näher ansahen ….
Mit viel Humor zeigt der Film ihre dann folgende Unternehmung: Die Erkletterung der Unterseite einer 800 Meter langen Autobahnbrücke in Devon, für die sie drei Tage brauchen werden. Eine großartige Kletterleistung an einem wirklich ungewöhnlichen Ort.
Bei der Premiere waren Tom Randall und Pete Whittaker auch anwesend und wurden interviewt, wieder mit viel Spaß und Humor.
Elevated
Sonya Wilson ist eine gehörlose Kletterin aus den USA. Im Film zeigt sie ihren Weg von der schwierigen Kindheit bis heute als Aktivistin und Organisatorin von Kletter-Workshops und einer Facebook-Community von Gehörlosen, die im Joshua-Tree Nationalpark in den USA klettern.
Ein Film, der weniger die Leistungen am Fels in den Vordergrund stellt, sondern Sonya Wilson und das Miteinander der Klettergruppe aus gehörlosen und hörenden beim Klettern im Joshua Tree National Park.
Ein Film, der anders ist als andere Outdoor-Filme, aber sehr gut in die diesjährige Auswahl passt.
Auch Sonya Wilson war in München vor Ort und hat einen kurzen Einblick in amerikanische Gebärdensprache gegeben. Wir können jetzt immerhin in Gebärdensprache klatschen, haben die Geste für „Stand!“ beim Klettern kennengelernt und den Unterschied zwischen „Du“ und „schießen“. Zwei Gesten, die sehr ähnlich aussehen, die man aber gut auseinanderhalten sollte!
Wild Waters
Nouria Newman ist eine französische Kajakfahrerin. Zunächst fuhr sie den olmympischen Kajakslalom, in dem sie bis ins französische Nationalteam kam und mehrere Medallien im Junioren- und Seniorenbereich gewann. Dann wechselte sie zum Wildwasser-Kajaksport auf natürlichen Flüssen.
Im Film werden Fahrten im indischen Ladahk und die bei Kajakfahrern berühmte „Site Zed“ am kanadische Stikine-River gezeigt, eine lange Fahrt durch eine Wildwasser-Schlucht, die in beeindruckenden Bildern gezeigt wird.
Dieser Film handelt auch vom Zusammenhalt der Wildwasser-Kajaksportler, den sie im Wettkampfsport vermisst hat, und ihrer Rolle als Frau in einer sehr männerdominierten Sportart.
Gift of the Bike
Der 17jährige Gift Puteho stammt aus einem kleinen Dorf im Südem Sambias. Auf einem einfachen Fahrrad seines Vaters lernte er Radfahren und entdeckte den Sport und Radrennen für sich. Sein Talent wurde erkannt und er schloss sich einem regionalen Mountainbike-Team an.
Mittlerweile fährt er in einem professionellen Mountainbike-Team in Sambia. Der Film zeigt seinen Weg und welche Chancen ihm das Mountainbikefahren geboten hat.
Auch Gift Puteho sollte zur Premiere der EOFT nach München kommen. Die Moderatoren haben das angesprochen. Sie sagten, dass sich das EOFT-Team lange bemüht hat, ihm die Reise zur Premiere zu ermöglichen.
Schließlich ist es aber gescheitert, weil ihm das Visum für eine Reise nach Deutschland verwehrt wurde. Offenbar, weil man befürchtete, er würde nicht wieder in sein Heimatland zurückkehren. Wenn man den Film und auch das folgende Interview, zu dem er dann aus Sambia per Videocall zugeschaltet wurde, gesehen hat, mag man diese Einschätzung nicht teilen.
Flow
Der diesjährige Rausschmeißer-Film, der auch gleich auf die kommende Wintersaison einstimmt. Freeriding in der fantastischen Berglandschaft der französischen Alpen. Sportlich und filmisch toll umgesetzt, bleibt „Flow“ aber doch einer der Filme, die man ganz ähnlich immer wieder auf Outdoor-Filmfestivals sieht.
Was bleibt? Ein gelungener Abend, eine schöne filmische Auswahl, die nicht nur auf die ganz großen Abenteuer und spektakuläre Action setzt, sondern auch mit ruhigeren Filmen überzeugt. Auch solchen, die man für eine Outdoor-Filmtour vor einigen Jahren vermutlich noch nicht ausgewählt hätte, die aber sehr gut gepasst haben.
Eine kurze Einstimmung auf die Filme bietet Euch der EOFT-Trailer:
Der aktuelle EOFT-Trailer
Das Programm der EOFT 2022 findet Ihr unter https://de.eoft.eu/de/programme/, Termine und Tickets unter https://de.eoft.eu/de/tickets/. Viel Spaß!