Joey Kelly: Hysterie des Körpers

Buch: Joey Kelly: Hysterie des Körpers

Irgendwann Anfang der Neunziger Jahre habe ich den alten Doppeldecker-Bus der Kelly-Family auf dem Parkplatz eines großen Marktes für Medien in Essen gesehen. Die Kellys waren für mich allerdings eher eine etwas zauselige Gruppe, deren Musik bei mir zum sofortigen Wechsel des Radiosenders führte. Mann kann mich also wirklich nicht als Fan bezeichnen. Aber jetzt habe ich das Buch Hysterie des Körpers – Der Lauf meines Lebens* von Joey Kelly geschenkt bekommen.

Die Kelly-Family hat sich vor einigen Jahren als Musikgruppe aufgelöst und inzwischen ist der bekannteste Vertreter der Familie sicher Joey Kelly. Er hat sich als Extremsportler und Seriengewinner bei diversen Stefan-Raab Sportereignissen einen Namen gemacht. Und nun hat er ein Buch geschrieben, in dem er seinen Lauf quer durch Deutschland beschreibt.

Joey Kelly läuft seit vielen Jahren Marathon, Ultra-Marathon, Ultraman und sucht weitere Extrem-Abenteuer wie etwa Wüstenläufe. Im letzten Jahr hat er beim ZDF Antarktis-Lauf teilgenommen, auf den Spuren von Roald Amundsen und Robert F. Scott, die 100 Jahren zuvor erstmals den Südpol erreichten.

Nebenbei gewinnt er die Wok-WM oder ähnliche TV-Spaß-Sportveranstaltungen. Und jetzt wollte er quer durch Deutschland laufen. Ich war also wirklich gespannt auf das Buch.

Joey Kelly startet in Wilhelmshaven und läuft bis zur Zugspitze quer durch Deutschland. Mehr als 900 Kilometer in 18 Tagen. Jeden Tag eine Strecke, die länger als ein Marathonlauf ist.

Und damit es noch ein wenig schwerer ist, nimmt er sich vor: „Er übernachtet draußen unter einer Plane, trinkt und isst nur, was die Natur ihm bietet.“ So sagt es der Klappentext des Buches.

Aber warum startet er in Wilhelmshaven? Wenn er Deutschland komplett durchqueren wollte, wäre da nicht Flensburg der „natürliche“ Startpunkt? Warum es dann doch Wilhelmhaven geworden ist, wird aber nicht erklärt. Die Tour endet am höchsten Punkt Deutschlands, der Zugspitze, das ist dann ein gut nachvollziehbarer Endpunkt.

Bevor Joey startet, trifft er sich mit Rüdiger Nehberg, der ebenfalls schon einmal eine Survival-Tour durch Deutschland gemacht hat. Ihm zeigt er seine Ausrüstung, mit der er sich auf den Weg machen will.

Dazu erhofft er sich Tipps vom Survival-Meister. Er wird ihn mit wesentlich weniger Gepäck verlassen, als er mitgebracht hat. Und von dem, was er mitnimmt, wird er unterwegs auch noch einiges wegwerfen.

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Hier wäre es spannend gewesen, genauer zu erfahren, was er alles mitnehmen wollte und was ihm Rüdiger Neberg geraten hat. Die Ultralight-Wanderer unter den Lesern hätten sicher auf eine Packliste gehofft. Aber auch hier fasst sich das Buch leider etwas kurz.

Jetzt geht’s aber los. Schon nach kurzer Zeit stellt Joey Kelly fest, dass er es nicht durchhalten kann, die Strecke zu Laufen. Er verlegt sich auf das schnelle Wandern.

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Schnell merkt er auch, dass die Nahrungssuche und -zubereitung einen Großteil des Tages einnimmt. Dazu kommt die Suche nach einem Nachtlager, das ein Minimum an Sicherheit und Komfort bietet.

Im Buch wechseln sich die Kapitel thematisch immer wieder ab. Neben der Beschreibung seiner Deutschland-Tour gibt es viele Kapitel, in denen Joey Kelly von einigen seiner vorangegangenen Extrem-Läufe berichtet.

Das dritte große Thema sind die Kellys, die als singende Großfamilie durch Europa gezogen sind und lange von der Hand in den Mund gelebt haben. Später sind sie jahrelang als Superstars getourt. In dieser Zeit hat Joey das Unternehmen „Kelly-Family“ gemanagt und mit dem Laufen begonnen. Auch hiervon berichtet er ausführlich.

Auch für einen Nicht-Kelly-Fan wie mich ist das Buch gut zu lesen und es ist wirklich spannend, von den verschiedenen Welten zu lesen. Allerdings fand ich, dass der Lauf durch Deutschland insgesamt etwas zu kurz gekommen ist.

Vom Land selbst erfährt man nichts, wo er gerade ist, spielt eigentlich fast keine Rolle. Allerdings kann man die Strecke auf mehreren Kartenblättern am Ende des Buches nachvollziehen. Neben den Landkarten zeigen Höhenprofilkarten die Streckenprofile.

Den Klappentext des Buches darf man jedoch nicht allzu wörtlich nehmen. „Er isst nur, was die Natur ihm bietet“ umfasst nicht nur die „wilde“ Natur, sondern auch die kultivierte, so gräbt er beispielsweise Kartoffeln vom Acker aus.

Er beschreibt im Buch auch, wie er einen Pizzarest aus dem Mülleimer fischt oder Essensreste vom Strasenrand aufklaubt. Da finde ich den „Natur“-Begriff schon sehr weit gefasst. Das schmälert die Leistung natürlich nicht, ist aber vom Verlag etwas reißerisch formuliert, wie ich finde. Im Buch selbst beschreibt er seine Leiden, besondern den Essensentzug, allerdings sehr eindringlich, man kann richtig mitleiden.

Hysterie des Körpers* ist ein interessantes, gut geschriebenes Buch, das ich gerne in kurzer Zeit gelesen habe. Allerdings sind mir leider gerade die Kapitel etwas zu kurz geraten, die Outdoorer und Wanderer besonders interessieren. Wer einen klassischen Reisebericht einer Deutschlandtour erwartet, wird mit dem Buch nicht glücklich werden. Kelly-Family Fans werden sich über die vielen Rückblicke in die achtziger und neunziger Jahre freuen. Das Buch ist als Taschenbuch und als Kindle-E-Book erschienen.

Links:
Homepage von Joey Kelly

Hysterie des Körpers – Der Lauf meines Lebens
Joey Kelly
224 Seiten
19 x 12,6 x 1,4 cm
rororo Taschenbuch
ISBN 978-3-4996-2810-8

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