Wanderung: Great Langdale, Old Dungeon Ghyll – Rossett Pass – Angle Tarn – Esk Hause – Scafell Pike und zurück
Eine recht lange und alpine Wanderung in einer wilden Landschaft führt uns auf Englands höchsten Berg, den Scafell Pike. Wir sind mitten im Lake District National Park im Nordwesten Englands. Diese Tour wird abwechslungsreich und unterscheidet sich in einigen Punkten von den Wanderungen, die wir sonst in den heimischen Bergen unternehmen. Und der Scafell Pike hat einige Prüfungen für uns auf Lager.
Er ist ein echter Dreitausender, dieser Scafell Pike. Allerdings nur für Briten, die gerne in Fuß rechnen. Mit seinen 978 Metern Höhe würde er noch nicht einmal aus dem Spitzingsee herausragen.
Aber trotz der geringen absoluten Höhe sollte man den Scafell Pike nicht unterschätzen. Durch die Nähe zum Atlantik ist es ist eine wirklich alpine Tour in einer Umgebung, die man in den Alpen meist erst in weitaus höheren Regionen findet.
Mehrere Wege führen auf den Scafell Pike, wir haben uns für die Route mit dem Ausgangspunkt Great Langdale entschieden. Diese Tour ist mittelschwer, allerdings ist sie mit 11,2 Meilen, also 18 Kilometern, auch der längste typische Aufstiegsweg.
Der Wanderparkplatz, von dem aus wir starten, liegt direkt neben dem „Old Dungeon Ghyll“ Hotel, das auch einen Pub führt, das ist ja schon einmal großartig. So erwarten wir das in England. Hier werden wir zum Abschluss der Wanderung auf jeden Fall einkehren.
Auf der Rückseite des Old Dungeon Ghyll sehen wir auch schon den ersten Wegweiser: „Path“ steht drauf, dazu immerhin ein Pfeil, der die Richtung weist. Damit haben wir auch schon die Hälfte aller Wegweiser auf der Tour gesehen.
Zufällig schaut gerade der Koch des Pubs aus der Tür, er bestätigt uns, dass dieses der richtige Weg für unsere Wanderung ist.
Zunächst wandern wir ohne Höhengewinn an einer der für England typischen Steinmauern entlang nach Westen. Die Landschaft hier erinnert uns an die „Sulz“ rund um die Amberger Hütte im Ötztal, wo wir wenige Wochen vorher waren. Eine schöne, aber karge, nahezu baumlose Landschaft.
Grasbewachsene Berge links und rechts eines breiten Tals. Allerdings waren wir damals auf über 2000 Metern Höhe, jetzt befinden wir uns auf knapp über einhundert Metern Meereshöhe!
Nach einer dreiviertel Stunde, in der wir außer vielen Schafen niemanden getroffen haben, kommen wir zu einer kleinen Holzbrücke, die der Koch genannt hat. Hier steht auch der zweite Wegweiser: Eine Steinplatte, auf der allerdings nicht „Scafell Pike“ ausgeschildert ist, sondern „Esk Hause“, eines der Zwischenziele unserer Tour.
Das ist schon interessant. Wir gehen auf einer der Normalrouten auf den höchsten Berg Englands und es gibt keinen Wegweiser dorthin. Könnte man sich sowas im Gebiet der Zugspitze vorstellen?
In England zu wandern ist wirklich anders als bei uns im Alpen(vereins)raum, sehr viel ursprünglicher. Aber wir befinden uns ja auch im weiträumingen Gebiet des Lake District National Parks.
Der Weg ist hier aber gut ausgebaut. Nach dem flachen Stück zu Beginn unserer Wanderung wird es jetzt deutlich steiler. Über sehr viele Steinstufen gehen wir in einigen Serpentinen zum Rossett Pass auf etwa 600 Meter Höhe hinauf.
Nach einem kurzen Flachstück geht es nun hinab zum Angle Tarn, einem fast kreisrunden kleinen See, der in einem Talkessel liegt. Das Ufer bietet sich für eine längere Pause an. Immerhin sind wir schon seit zwei Stunden unterwegs.
Nach der Pause geht es nun wieder bergauf in Richtung „Esk Hause“ auf 760 Metern. Jetzt sind wir mitten in einer beeindruckenden, wirklich leeren Landschaft. Hier gibt es nur noch Steine, Gras und einige Schafe.
So weit wir uns auch umsehen, überall ist nur diese große Leere, die ihren ganz eigenen, recht herben, Reiz hat. Wir sehen weder Straßen noch Häuser. Das ist eine wirklich wilde, weite Gegend hier oben.
Und obwohl wir einen Tag mit wirklich idealem Wetter erwischt haben, wolkig, aber trocken, pfeift der Wind hier oben schon recht heftig. Esk Hause ist ein steinerner Pass mit einer Weggabelung. Ohne Wegweiser, Ihr wisst schon. Wir gehen nach links, in Richtung des Scafell-Massivs.
Bis jetzt war der Weg noch recht einfach zu gehen. Doch jetzt kommen die Prüfungen, die der Scafell Pike den Wanderern auferlegt, bevor sie den Gipfel erreichen. Die schlimmste und wirklich gefährliche bleibt uns zum Glück erspart: Der Nebel.
Aber der Scafell Pike hat einige Gemeinheiten auf Lager, um willensschwache Wanderer mürbe zu machen. Zunächst versucht er es mit Verwirrung. Man glaubt lange Zeit, den Gipfel schon zu sehen. Nur um dann festzustellen, dass er ein kleinerer Gipfel des Scafell-Massivs ist, der den Hauptgipfel lange verdeckt.
Dann kommt „schweres Geläuf“. Der Weg zum Gipfel führt über große Felder aus grobem Blockwerk. Hier gibt es auch keinen Weg mehr, an dem man sich orientieren könnte.
Wir springen von Felsbrocken zu Felsbrocken, nur geleitet durch einige Steinmanndl, die die ungefähre Route anzeigen. Zudem können wir nun den eigentlichen Gipfel sehen. Einige Menschen sind zu erkennen, dazu etwas, das wie eine Hütte aussieht.
Fast haben wir es geschafft, aber schon folgt die nächste Prüfung: Wir wähnen uns schon fast auf dem Gipfel, da sehen wir, dass es erst noch einmal bergab geht. Über die Blöcke gehen wir ein paar Dutzend Meter bergab. Beim steilen Gegenanstieg erwartet und dann rutschiges Geröll.
Aber dann sind wir oben. Wir stehen bei heftigem Wind auf dem höchsten Punkt Englands. Auf nicht einmal 1000 Metern Höhe, aber in einer hochalpinen Landschaft.
Ein steiniges Gipfelplateau mit einem grandiosen Rundblick. Statt einer Hütte befindet sich hier oben aber nur eine Art Plattform aus aufgeschichteten Steinen. Daneben ein Türmchen, nur etwa einen Meter hoch, dass aussieht, als ob man einen Fahnenmast hineinschrauben kann.
Hier oben befinden sich dann auch einige Menschen. Neben uns sind etwa zwanzig andere Wanderer hier. Engländer, stolz und zufrieden, auf dem höchsten Punkt ihrer Heimat zu stehen.
Wir halten uns aber nicht allzu lange oben auf. Zum einen ist es hier oben wirklich frisch, zum anderen wollen wir nun auch schnell wieder hinunter, um nicht in die Dunkelheit zu kommen. Die mögliche große Runde lassen wir lieber aus, so gehen wir auf dem Aufstiegsweg wieder bergab.
Der Abstieg wird mit der Zeit recht anstrengend. Da der Weg ausschließlich auf hartem Untergrund aus Kiesel, Schotter und Fels besteht, spüren wir nach den mittlerweile über fünf Stunden Wanderung unsere Füsse doch recht ordentlich.
Nach etwa vier Stunden Aufstieg und drei Stunden Abstieg treffen wir wieder im Old Dungeon Ghyll ein. Der Biergarten ist sehr zu empfehlen, ebenso die frisch gezapften Biere aus der Umgebung. Und wie auf einer Berghütte ist auch das hier Essen natürlich besonders lecker.
Ein großartiger Wandertag klingt so standesgemäß bei scharfem Chili con Carne und Lakeland Ale aus.
Dauer und Schwierigkeit:
Der von uns gegangene Weg vom Old Dungeon Ghyll (oft wird auch „Great Langdale“ angegeben) ist der längste Aufstiegsweg, etwa 18 Kilometer mit etwas mehr als 1000 Höhenmetern. Wir haben ungefähr vier Stunden bergauf und drei Stunden bergab gebraucht, allerdings in nicht allzu schnellem Tempo. Die Schwierigkeiten des Weges liegen ganz klar im oberen Teil, im Blockwerk muss man seinen Weg weitgehend selbst suchen und trittsicher sein. Der Schotteranstieg zum Gipfel ist eine weitere Schwierigkeit.
Höhenangaben:
Old Dungeon Ghyll: ca. 110 Meter
Rosset Pass: ca. 600 Meter
Angle Tarn: 560 Meter
Esk Hause: 760 Meter
Gipfel Scafell Pike: 978 Meter
Essen und Trinken:
Das Old Dungeon Ghyll bietet eine recht umfangreiche Karte. Sonst gibt es auf der Wanderung keine weiteren Verpflegungsmöglichkeiten. Daher unbedingt genug Essen und Wasser mitnehmen.
Wo muss ich besonders aufpassen?
Zunächst muss man aufpassen, auf dem richtigen Weg zu bleiben. Da er fast nicht beschildert ist und außer Steinmännchen im oberen Teil keine Markierungen hat, ist eine Karte absolut notwendig. Ein GPS-Gerät kann sehr sinnvoll sein. Im Gipfelbereich muss man aufpassen, besonders bei Nebel besteht große Gefahr, vom Weg abzukommen und im schlimmsten Fall abzustürzen. Auch an den Rändern des Schotteraufstiegs ist Vorsicht geboten. Trittsicherheit im Schotter und auf den Steinblöcken ist wichtig. Man muss vor allem auch auf schnelle und heftige Wetterwechsel vorbereitet sein. Rechnet nicht damit, Handyempfang zu haben. Weitere Tipps zum Aufstieg auf den Scafell Pike findet Ihr auf den Seiten der Wasdale Mountain Rescue (auch wenn dort ein anderer Weg beschrieben wird).
Wie komme ich hin?
Von der Autobahn M6 ausgehend gelangt man am besten über Windermere und Ambleside nach Great Langdale. Dort weiter der Straße folgen. Am “New Dungeon Ghyll” vorbeifahren. Nach einiger Zeit kommt rechts das „Old Dungeon Ghyll“ Hotel mit dem benachbarten Wanderparkplatz. Dieser kostet 6 Pfund pro Tag. Nehmt genug Pfundmünzen für den Automaten mit!
Von Ambleside aus fährt auch ein Bus mehrmals täglich zum Old Dungeon Ghyll: Line 516 Ambleside – Old Dungeon Ghyll. Bei cumbria.gov.uk gibt es die Busfahrpläne South Lakeland
Links:
Homepage des Old Dungeon Ghyll Hotels
Busfahrpläne South Lakeland bei Cumbria.gov.uk
Informationen zur Sicherheit beim Aufstieg bei der Wasdale Mountain Rescue
Die Homepage des Lake District National Park
The Wainwright Society – Das ist einen eigenen Artikel wert. Der Scafell Pike ist natürlich einer der „Wainwrights“, die vom enlischen Autor Alfred Wainwright in seinen ganz besonderen Wanderführern beschrieben wurden. Alle von ihm in seinen Büchern beschriebenen Berge werden „Wainwrights“ genannt.
Buchtipps und Wanderkarte:
[…] Süden dann in Norden Europas – “Auf den höchsten Berg Englands: Wanderung von Great Langdale auf den Scafell Pik“. Gelernt habe ich jetzt schon, dass man dort echt besser nicht ohne Karte hin sollte, die […]
[…] Schon wieder eine schwierige Frage. Einen einzelnen Artikel mag ich da gar nicht nennen, aber ich freue mich immer, wenn sich mal ein Artikel zu einer außergewöhnlichen Wanderung in die Liste der meistaufgerufenen Artikel verirrt, nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ wie Neureuth oder Schliersbergalm. Die beiden eben genannten möchte ich euch empfehlen. Und wart Ihr schon mal auf dem höchsten Berg Englands? […]